Die Marseille-Connection
weißt, wo du ihn findest.«
Estebans Griff auf seiner Schulter wurde zu einer eisernen Klammer.
»Wenn du jetzt nicht mit rauskommst, erschieße ich dich mit Curros Pistole. Seine Fingerabdrücke sind darauf, aber er will ganz sicher nicht ins Zuchthaus, also wird er deinen Bruder ans Messer liefern. Du auf dem Friedhof, Ramón im Knast …«
Verängstigt und verwirrt ging der Junge mit hinaus, ohne um Hilfe zu rufen oder wegzulaufen. Der Wagen war ein Volvo, als gestohlen gemeldet, von der Polizei aufgetrieben,aber noch nicht wieder dem Eigentümer zurückgegeben – ein Werk von Brainard, Delpech und Tarpin.
»Eins solltest du über mich wissen, Pedro«, sagte der Paraguayer, als er den ersten Gang einlegte. »Ich komme aus einem Land in Südamerika, in dem lange eine harte Diktatur geherrscht hat. Als junger Soldat habe ich als Erstes gelernt, wie man foltert, um Informationen zu erhalten. Ich bin richtig gut darin gewesen. Meine Spezialität war, den gefangenen Guerilleros die Haut abzuziehen, bei lebendigem Leibe. Das ist gar nicht so leicht, wie du vielleicht denkst. Man muss einen Schnitt machen und dann die Streifen abziehen, ganz, ganz langsam, damit sie nicht reißen. Für ein Bein braucht man mindestens eine Stunde, wenn man es ordentlich machen will.«
Er drehte sich zu dem Jungen um, der ihn entsetzt anstarrte.
»Jetzt muss ich dich an einen einsamen, stillen Ort bringen, dich fesseln und foltern«, fuhr er beiläufig fort. »Und am Ende kriegst du einen Nackenschuss verpasst, denn was sollst du ohne Haut anfangen? Kannst dir ja keine neue im Geschäft kaufen, was?«
»Was willst du von mir?«, schrie Pedro.
»Das ist die richtige Frage. Wenn wir uns diese ganze hässliche Sache ersparen wollen, brauchst du mir nur zu sagen, wo Ramón den Stoff lagert.«
Pedro war der Situation nicht gewachsen. Er verriet seinen Bruder sofort, dann brach er in Tränen aus. Garrincha setzte ihn an einer Ampel aus.
»Das ist jetzt unser Geheimnis, Kleiner«, log er abermals. »Gar nicht so schlimm, das alles. Ramón ist ein armes Arschloch.«Am nächsten Vormittag hielt ein Lieferwagen mit Vollbremsung vor einem Friseursalon im 13. Arrondissement. Mit Pumpguns bewaffnet, stiegen Brainard und Delpech aus und rannten in den Laden. Tarpin blieb als Wache draußen.
Jetzt kam auch der Peugeot von Bourdet angerollt. Die Kommissarin musterte die umliegenden Häuser und steckte sich eine Zigarette an.
»Halt die Tränengaspatronen bereit und schieß sie jedem ins Fenster, der Krach schlagen will«, sagte sie. »Ich hab keine Lust auf einen Aufstand.«
Ein siegesgewisses Lächeln auf den Lippen, betrat sie den Laden. »Bonjour, Mesdames«, sie verneigte sich zu dem Grüppchen von Frauen hin, die mit dem Gesicht zur Wand standen, teils mit Lockenwicklern im Haar oder halb fertig gefärbten Strähnchen. Alicia, die Eigentümerin, eine Venezolanerin von rund dreißig Jahren, lag bäuchlings am Boden, Brainards Schuh im Kreuz.
»Verdammte Scheiße, was wollt ihr von mir? Ihr verjagt meine Kundschaft!«
Die Kommissarin beugte sich zu ihr hinunter. »Wie man hört, befindet sich jede Menge Stoff in diesem Paradies der Dauerwellen …«
»Das muss ein Irrtum sein!«
»Ganz sicher nicht. Ramóns Brüderchen Pedro hat mir verraten, dass er hinten gelagert wird, in einem Loch unterm Besenschrank«, sagte sie so laut, dass alle es hörten, womit sie zugleich die Dealerkarriere des Jungen ein für alle Mal beendete.
Alicia zappelte und wand sich. »Ich hab nichts davon gewusst!«, schwor sie. »Serafín kommt manchmal vorbei und schickt mich aufs Klo. Das erzähle ich auch vor Gericht. Ichhabe keine Lust, wegen dieser Arschlöcher in den Knast zu wandern.«
Delpech kam von hinten und wedelte mit einer Tüte: »Mindestens drei Kilo.« Das bedeutete, dass es vier waren, aber eines behielt die Truppe für sich.
»Das heißt, du kriegst mindestens zehn Jahre«, zischte B.B. der Friseurin zu.
»Das hast du nicht zu bestimmen, du hässliche Hure!«, schrie die Frau verzweifelt.
Brainard nahm den Fuß aus ihrem Rücken und setzte ihn ihr aufs Gesicht, verbunden mit dem guten Rat, den Mund zu halten, wenn sie alle Zähne behalten wolle.
Die Kommissarin rief Félix Barret an, einen Kollegen bei OCRTIS , dem Office Central pour la Répression du Trafic Illicite des Stupéfiants , der Zentraleinheit zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels: »Ich hab hier ein hübsches Paket, das du abholen solltest, und dazu ein paar
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