Die Marseille-Connection
Bourdet wartete nicht auf die Beamten von der Drogenfahndung, sondern stieg in ihren alten Wagen. Eine Stunde später saß sie auf einem Sessel in einem eleganten, sehr feminin eingerichteten Büro. Durch einen gewaltigen falschen Spiegel konnte man einen Saal überblicken, der jetzt zwar noch leer war, sich abends jedoch mit Huren und ihren Kunden füllen würde.
»Hast du etwas für mich?«, fragte sie Xixi, die kambodschanische Inhaberin von Marseilles exklusivstem Bordell.
Für ihre vierzig hatte sich Xixi beeindruckend gut gehalten; sie trug ein schlichtes Schneiderkostüm und flache Schuhe und sah darin eher aus wie eine Geschäftsfrau, nicht wie eine berufsmäßige Kupplerin.
Xixi nahm eine DVD aus einer Schublade. »Sie sind als Gruppe gekommen, wie üblich.«
»Mit wem haben sie diesmal gefeiert?«
»Mit ein paar Politikern von der unteren Ebene.«
B.B. steckte die DVD in ihre Handtasche, dann stand sie auf und kam um den Schreibtisch herum. Sie streichelte der Kambodschanerin das Gesicht. »Du bist immer noch die Schönste«, schmeichelte sie.
Xixi senkte den Blick. »Vanessa ist frei. Sie ist im Lilienzimmer.«
»Ich will dich.«
»Ich stehe nicht auf der Speisekarte.«
»Ich weiß. Aber ich bin das Gesetz.«
»Das Gesetz bezahle ich jeden Monat.«
»Willst du dich wirklich nicht mit dieser Polizistin vergnügen?«
»Vanessa ist hübscher und fügsamer.«
B.B. setzte sich wieder hin. »Ich bleibe dabei, du bist die Schönste von allen, Xixi.«
Xixi griff zum Telefon. »Du wirst in zehn Minuten eine Dame empfangen.«
»Und warum nicht sofort?«
»Ich muss dir erst etwas erzählen«, antwortete sie, »etwas Heikles, sehr Heikles …«
»Mach hin, Xixi, ich will vögeln.«
»Babiche, eines von unseren Mädchen, ist verschwunden.«
Die Polizistin erstarrte.
»Erzähl!«
»Wir glauben, die Rumänen haben sie sich zurückgeholt. Sie war ihnen in Lyon abgehauen und hatte uns, als sie hier auftauchte, eine vollkommen andere Geschichte erzählt. Ich habe nicht lange nachgeforscht, sie war hübsch und geschickt.«
»Und wie haben die Rumänen sie wiedergefunden?«
Xixi nahm eine Fernbedienung zur Hand und schaltete den DVD-Player an. Die Saalkameras erfassten alles genau im Detail. Die Kambodschanerin deutete auf einen kahlköpfigen Mann in Lederjacke, der sich jäh umdrehte, als ein Mädchen am Arm eines Kunden vorüberkam. Einen Sekundenbruchteil später schmiegte sie das Gesicht an die Schulter des Kunden, als wollte sie sich verstecken.
»Zwei Tage später kam sie nicht zur Arbeit, und ihre Wohnung war ausgeräumt.«
»Ich verstehe ja, dass du die Entführung nicht der Polizei gemeldet hast, aber dies Bordell steht unter Armand Grisonis Schutz.«
»Der gesagt hat, ich soll mit dir darüber reden.«
B.B. goss sich zwei Finger hoch Cognac ein. Armand war so ein Hurensohn. Er wusste genau, diese Art von Verbrechen ließ ihr das Blut zu Kopfe steigen, und das wollte er ausnutzen.
»Wer ist der Typ mit der Lederjacke?«, fragte sie. »Man sieht ihn nur von hinten, und ich glaube, ich kenne ihn nicht.«
»Er war nur wenige Male hier, aber ein paar Leute haben ihn erkannt. Er heißt Gogu Blaga und führt einen Ring von Callgirls, die in Apartments arbeiten.«
Kommissarin Bourdet zündete sich eine Zigarette an. Die Lust auf Sex war ihr vergangen. »Du hast mir meinen Tag versaut, Xixi.«
»Du wirst sehen, Vanessa sorgt schon dafür, dass du bald wieder gute Laune hast.«
»Das glaube ich nicht. Jetzt will ich nur noch in die Zentrale und herausfinden, was das Archiv über diesen Herrn hergibt.« Sie stand auf. Sie ärgerte sich über Xixi, die hätte schließlich auch hinterher von der Sache erzählen können.
»Sag Armand, dass ich mich darum kümmere, aber wenn ich Babiche wiederfinde und mit dem Rumänen abrechne, dann gehst du mit mir ins Bett.«
Xixi lächelte peinlich berührt. »Aber das hat doch nichts miteinander …«
»Sag es ihm!«, befahl die Bourdet und ging türenschlagend davon. Eigentlich war sie auf Blaga wütend. Sie war schon immer der Meinung, dass Sklavenhalter mit der ganzen Härte des Bourdetschen Gesetzes bestraft gehörten.
Garrincha klopfte an die Tür von Ramóns Wohnung. Es öffnete eine junge Frau, ein kleines Mädchen im Arm. »Zwanzig, hübsch, etwas Übergewicht«, dachte Esteban, ging an ihrvorbei und setzte sich auf den Lieblingssessel des Hausherren.
»Du musst Rosario sein«, sagte er. »Und die Kleine ist Pilar, oder?«
»Und wer bist du?«,
Weitere Kostenlose Bücher