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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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Bourdet zu erfüllen. Er hatte ihr versuchsweise vorgeschlagen, seine Jungs könnten sich darum kümmern, aber nichts zu machen.
    »Du hast schon gezeigt, dass du für so etwas der Beste bist«, hatte sie nur gesagt.
    Das stimmte schon, doch Garrincha ahnte, dass sie ihn hier für eine außergewöhnliche illegale Aktion benutzte, die Lichtjahre vom Drogenhandel entfernt war.
    Er startete den kraftvollen, gehorsamen Motor des Mustang. Was für ein Wagen! Er beschloss, sich ein wenig mit der Suche nach einer neuen Frau die Zeit zu vertreiben. Kürzlichhatte er sich in einem Salon am Boulevard Michelet eine Maniküre gegönnt, und eine Naturblonde hatte ihm die ganze Zeit schöne Augen gemacht. Ihre langen weizengelben Haare würden herrlich wirken, fließend auf dem schwarzen Leder der Sitze ausgebreitet.
    »Du bist ja der reinste Poet«, beglückwünschte er sich selbst.
    Aleksandr Peskow stieg ins Taxi, dessen Fahrer er zerstreut begrüßte. Er war müde, nachdem er am Vortag lange mit Sunil am Projekt der unterseeischen Kabel gearbeitet hatte. Es hatte sich bestätigt, dass das nicht nur eine hervorragende Tarnung bot, sondern dazu eine beeindruckende Gewinnspanne, so beeindruckend, dass Aleksandr irgendwann fragte, ob es überhaupt die Mühe lohne, die Sache mit dem Organhandel weiter zu verfolgen.
    Aber das hatte sein Freund kategorisch abgelehnt. »Wir haben das doch gründlich geprüft und festgestellt, dass das Tempo, in dem sich Geld machen lässt, der Maßstab ist, ob eine Aktion sich lohnt. Die Klinik entspricht den Parametern voll und ganz. Jedenfalls jetzt. Und wenn es Zeit wird aufzuhören, dann geht das im Handumdrehen.«
    Das stimmte. Wenn eine illegale Aktivität nicht mehr lohnte, kam es darauf an, dass man sie rasch beenden und die Verluste gering halten konnte. Dromos: altgriechisch für »Wettlauf«. Das Verbrechen war nur ein gutes Geschäft, solange es mit dem von den ökonomischen Bedingungen gegebenen Tempo mithielt. Angebot und Nachfrage, Kosteneinsatz und Ertrag. Ganz das Gegenteil des organisierten Verbrechens sonst, das viel zu lange brauchte, um zu reagieren, wenn eine Aktivität nicht mehr lohnte, und viel Geld und Personal dabeiverlor. Das Beharren der Mafia auf streng hierarchischen Strukturen sorgte dafür, Urteils- und Handlungsvermögen gefährlich zu blockieren. Ein Staat im Staate sein zu wollen, brachte Vorteile im Hinblick auf Macht, aber wirtschaftliche Nachteile. Die bösen Buben aus Leeds hingegen waren nur an Geld interessiert.
    Das war jedoch nicht die ganze Wahrheit. Ihr Ehrgeiz bestand darin, schneller zu sein als alle anderen, berauscht davon, sich der Herausforderung zu stellen. Darum hatten sie den Pub mit diesem Namen als Stammkneipe für ihre täglichen Treffen gewählt. Und dort hatte Inez zum ersten Mal den Namen »Dromos Gang« erwogen.
    »Was hast du gesagt?«, hatten die anderen gefragt.
    »Wir werden uns die ›Dromos Gang‹ nennen«, sagte sie entschlossen.
    In Erinnerungen versunken, unterdrückte der Russe ein Gähnen. Das aufdringliche Parfüm des Fahrers störte ihn auf, gerade im passenden Moment, um zu bemerken, dass der falsch fuhr.
    »Monsieur, Sie haben vergessen, an der Ampel abzubiegen«, erinnerte er ihn freundlich.
    Der Mann blickte ihn im Rückspiegel an. »Hier entlang ist es näher.«
    »Nein«, sagte Aleksandr. »Das hier ist genau die entgegengesetzte Richtung.«
    Der Fahrer hielt am Straßenrand. Er drehte sich zu seinem Passagier um und verpasste ihm einen Stromschlag aus dem Taser. Einmal, zweimal, dreimal, bis Peskow zwischen Vorder- und Rücksitz zusammenbrach.
    Der Fahrer überblickte die Straße. Niemand hatte etwas bemerkt. Um diese Morgenstunde arbeitete Marseille undhatte anderes zu tun, als ein Taxi zu beobachten. Garrincha setzte den Blinker und fädelte sich in den Verkehr ein. Er hatte recht gehabt mit seinem Verdacht, dass der Typ, den er für die Bourdet entführen sollte, nichts mit Drogen zu tun hatte. Mit Dealern hatte er in Maidanas Diensten genügend zu tun gehabt, auch mit solchen, denen man ihr Metier nicht ansah, aber der hier war keiner davon.
    An einer roten Ampel drehte er sich noch einmal nach ihm um und verpasste ihm zur Sicherheit erneut eine Ladung. Der Mann zuckte kaum.
    Die Fahrt zu der stillgelegten Konservenfabrik, die Kommissarin Bourdet für Verhöre nutzte, dauerte nur wenig länger als eine Viertelstunde. Das verrostete Rollgitter war gerade so weit hochgezogen, dass ein PKW darunter hindurchpasste.

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