Die Marseille-Connection
sofortige Überstellung von Mairam Nasirowa nach Russland, was die Winogradowa bereits vorausschauend vorbereitet hatte.
Nach dem Telefonat widmete der General sich wieder den politischen Protesten auf den Plätzen seiner Hauptstadt. DieDemonstranten skandierten »Russland, Russland« und hielten Plakate mit dem Bild des falschen Politikers hoch.
Ulita lenkte den Lieferwagen zu demselben Strand bei Les Saintes-Maries-de-la-Mer, an dem die drei Agenten gelandet waren. Ein paar Stunden später kam ein Schlauchboot und nahm die Terroristin an Bord. Sie würde in der Kabine eines angeblichen Fischtrawlers auf dem Heimweg wieder zu sich kommen. In Russland dann würde man sie in einem Geheimgefängnis in aller Ruhe befragen und schließlich als Trophäe der Öffentlichkeit präsentieren.
Ulita war außer sich vor Freude. Die Beförderung zum Kapitän stand unmittelbar bevor, und der Erfolg machte sie hier in Marseille unentbehrlich. Sie beschloss, sich eine Belohnung zu gönnen, und ließ sich auf der Fahrt nach Saint-Barnabé an einem Taxistand absetzen. Ein schläfriger Taxifahrer kutschierte sie zu Aleksandr Peskow, der zwar lieber weitergeschlafen hätte, sich aber dem unerbittlichen Drängen von Leutnant Winogradowa ergeben musste.
Inspektor Delpech, der das Haus beschattete, weckte die Bourdet auf.
»Die Russin ist gekommen, Chef. Was soll ich tun?«
»Fahr nach Haus und leg dich hin, Gérard«, antwortete B.B. und langte nach dem Zigarettenpäckchen.
Sie sog den Rauch gierig ein. Auch sie war glücklich: Leckerbissen war noch in der Stadt.
Brainard machte am nächsten Tag die erste Schicht vor dem Büro der Dromos , danach übernahm Tarpin. Die Bourdet aß gerade in der Brasserie zu Mittag, als die beiden Russinnen kamen, begleitet von zwei Landsmännern. Einen kannte sie von dem Video aus der Heiratsagentur. Unauffällig fotografiertesie das Quartett mit dem Handy. Für ihren Zweck war die Qualität mehr als ausreichend. Das Dessert ließ sie aus; sie würde es bei Armand nehmen.
»Müde siehst du aus«, bemerkte dieser, als sie in seinem Restaurant ankam. Er kaute gerade an einem Mundvoll Bourride.
»Wenn ich zu wenig Schlaf kriege, fallen die Falten und das Alter eben mehr auf.«
»Hast du für mich gearbeitet?«
Sie verzog den Mund zu einer bitteren Grimasse. »Wie es aussieht, nicht nur für dich, sondern auch für Frankreich und die Republik. Ich habe sie gefunden.«
»Das ging ja schnell.«
»Ich bin eben die Beste.« Sie zeigte ihm die Bilder aus der Brasserie. »Aber wir verfahren nach meiner Methode.«
Der Gangster trank einen Schluck Weißwein. »Was heißt das, B.B.?«
»Das heißt, dass ich auch meine Absichten in der Sache habe und die einzelnen Schritte sorgfältig abgestimmt werden müssen.«
Armand konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Eine konzertierte Aktion mit der Polizei?«
»Mehr oder weniger«, antwortete sie, von der Heiterkeit angesteckt.
Der Kellner brachte ein Glas Sauternes und einen kleinen Teller mit Keksen aus der preisgekrönten Konditorei Four des Navettes. Die Bourdet nahm einen und tunkte ihn genüsslich in den Wein.
»Deine Tischsitten auch wieder«, tadelte Grisoni sie scherzend. »Unmöglich.«
»Du hast genauso wenig Ahnung wie alle anderen, die sichin Marseille als Feinschmecker aufführen. An jeder Ecke trifft man einen, der einem Essen und Trinken beibringen will.«
»Ich bin Korse«, entgegnete er stolz. »Wir haben den guten Geschmack im Blut.«
»Apropos Blut …«, meinte B.B. ernst. »Sag Ange, er soll die Russen bloß nicht unterschätzen, sonst kannst du auf ein paar Beerdigungen gehen.«
»Danke für die Fürsorge. Ich werde es so angehen, dass keiner von meinen Leuten zu Schaden kommt.«
Sie blickte ihn verblüfft an. »Für manche Sachen bist du nicht mehr im passenden Alter. Wie lange hattest du schon keine tabanca mehr in der Hand?«
Sie verwendete absichtlich den türkischen Slangausdruck für Pistole, um ihn an den letzten Mord zu erinnern, den er in eigener Person verübt hatte. Ein gewisser Ebru Korkmaz hatte seine Grenzen überschritten. Kommissarin Bourdet höchstselbst hatte ermittelt, aber nichts finden können. Dabei war sie sicher, dass es Grisoni gewesen war.
»Nagt das immer noch an dir?«
»Nein. Ich wollte nur klarmachen, dass Zeit vergangen ist. Eines Tages wachst du auf und stellst fest, du bist nicht mehr derselbe wie früher. Das ist alles.«
»Ich bin der Boss. Es ist meine Aufgabe.«
Die Polizistin erhob
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