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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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resigniert die Hände. »Hauptsache, ich muss mir keine Sorgen machen.«
    »Ich mir aber auch nicht«, entgegnete der Gangster. »Ich bin ja schon neugierig, was für ›eigene Absichten‹ du hast.«
    B.B. kräuselte die Lippen. »Manches fragt man eine Dame nicht.«
    Grisoni nickte nachdenklich. Er konnte es nicht leiden, wenn andere vor ihm Geheimnisse hatten. »Wann und wo?«
    Die Kommissarin schrieb eine Adresse auf die Serviette, in einer ausgreifenden, entschlossenen Handschrift, ähnlich der eines Richters in früheren Zeiten, wenn er die Höchststrafe verhängte.
    »Übermorgen früh. Bei Geschäftsöffnung«, beschied sie kurz. »Ich gebe dir Bescheid.«
    »Du machst es mir nicht leicht.«
    »Ich habe für dich schon das Unmögliche getan, Armand.«
    Die Russen fuhren mit einem PKW vom Büro weg, und wie immer hängten sie die Polizisten ab. Unmöglich herauszufinden, wo sie wohnten und die Nacht verbrachten. B.B. war schon daran gewohnt, dass sie sich nicht verfolgen ließen, aber nicht darum hatte sie Grisoni die Adresse der Dromos gegeben, sondern sie wollte noch genug Zeit haben, ihr eigentliches Ziel zu beobachten: Aleksandr Peskow. Wenn sie mehr Leute zur Verfügung gehabt hätte, hätte sie auch gern diesen Inder beschattet, Mister Banerjee, doch sie musste sich mit dem begnügen, was ging.
    Sie bestellte Juan Santucho zu einem Treffen. Der Dealer kam mit einem brandneuen schwarzen Ford Mustang angefahren, stieg aus und schritt auf den alten Peugeot zu mit der Miene dessen, der das Leben begriffen hat.
    »Die Karre da kostet fünfzigtausend«, bemerkte die Kommissarin.
    »Hat mich gar nichts gekostet«, entgegnete der Mann. »Ist mit Bermudez’ Koks bezahlt.«
    »Bist du lebensmüde?«, platzte die Bourdet heraus. »Du willst wohl unbedingt, dass die Mexikaner dir auf die Spur kommen.«
    »Die sitzen gemütlich zu Hause, die haben derart viel Koks,dass es sie nicht weiter interessiert, wer es sich unter den Nagel gerissen hat.«
    Die Polizistin atmete tief durch. Am liebsten hätte sie ihm mit dem Pistolenknauf die Nase zu Matsch geschlagen. Stattdessen musste sie sich damit begnügen, schweigend eine Zigarette zu rauchen, als ob neben ihr niemand säße.
    Garrincha störte das nicht weiter. Er konzentrierte sich auf die Hintern der Passantinnen und gab jedem eine Note.
    »Ich habe eine Aufgabe für dich«, sagte B.B. unvermittelt, und in den fünf darauffolgenden Minuten erläuterte sie ihm detailliert, worin diese bestand.
    »Ich weiß nicht recht, Madame«, murrte Esteban.
    »Hast du etwas nicht verstanden?«
    »Nein. Aber ich begreife nicht, warum ausgerechnet ich das übernehmen soll. Es klingt gefährlich, und ich glaube, wenn etwas schiefgeht, kriege ich allein die gesammelte Scheiße ab.«
    Kurz zuckten wütende Blitze in den Augen der Kommissarin, die das Lenkrad fester packte. »Du würdest heute eigentlich in Les Baumettes deine zwanzig Jahre absitzen«, erinnerte sie ihn. »Du tust besser, was ich dir sage, ›Don‹ Juan.«
    »Ja, Madame.«
    »Und jetzt verschwinde.«
    Der Dealer blieb sitzen. »Ich habe über etwas nachgedacht und wollte das mit Ihnen besprechen.«
    »Worum geht es?«
    »Um la chasse au dragon …«
    B.B. erstarrte. »Drachenjagd«, das war der Slangbegriff für das Inhalieren von Heroin. Etwas Alufolie, ein bisschen Pulver und ein Feuerzeug.
    »Und?«
    »Das kommt wieder in Mode, und das Zeug kommt bei uns in ordentlichen Mengen auf den Markt.« Er wurde lebhafter. »Kostenpunkt um die achtzig Euro pro Gramm, und …«
    Santucho brachte den Satz nicht zu Ende. Diesmal hatte die Kommissarin die Geduld verloren und ihm den Lauf der Pistole an die Schläfe gesetzt.
    »Warum denn gleich so aufgeregt?«, fragte Juan.
    Statt einer Antwort spannte sie den Hahn der Pistole. Das Klicken tönte laut im Inneren des Wagens. »Wir haben in Marseille sechstausend aktenkundige Junkies, und ich will keinen einzigen mehr, hörst du«, knurrte sie gereizt. »Wenn ich erfahre, dass du auch nur ein Tütchen Heroin verkaufst, jage ich dir eine Kugel in deinen Scheißkopf.«
    Garrincha glitt aus dem Wagen. Madame war verrückt. Sie begriff nichts und hatte keinerlei Unternehmergeist. Heroin war die Zukunft. Die Leute waren immer ärmer und hoffnungsloser, und la chasse au dragon vertrieb alle bösen Gedanken. Er zuckte mit den Schultern. Sein Plan, wie er Marseille adieu sagen konnte, stand bereits fest. Lieber wäre er in Ruhe im Dreizehnten Arrondissement geblieben, als den Auftrag der

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