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Die Maschen des Schicksals (German Edition)

Die Maschen des Schicksals (German Edition)

Titel: Die Maschen des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Macomber
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Annies Haus. Sie mochte dieses Backsteingebäude mit den hohen Treppenstufen am Eingang und dem Giebel über der kleinen Veranda sofort. Es erinnerte sie an die Häuser in bestimmten Gegenden von Chicago.
    Heimweh überkam sie. In Chicago hatte sie Freunde, da kannte sie alles. Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass sie sich während des Abschlussjahres der Highschool ein neues Leben aufbauen musste. Elf Jahre hatte sie auf diesen Abschluss hingearbeitet, und sie hatte sich darauf gefreut, dann mit ihren Freunden zusammen zu sein, von denen sie manche schon ihr Leben lang kannte.
    Sie musste sich zusammenreißen, um nicht in Selbstmitleid zu zerfließen. Doch sie wusste und hatte schon vor langer Zeit akzeptiert, dass dieses Opfer notwendig war. Julianna hatte sie vor Kurzem darauf aufmerksam gemacht, dass sie nächstes Jahr, wenn sie ans College ging, dasselbe hätte durchmachen müssen. Also unternahm sie den Umzug einfach nur ein bisschen früher. Sie wäre auf diese Art viel besser auf das College vorbereitet, betonte Julianna, und Courtney wusste diesen wohl überlegten Rat ihrer Schwester zu schätzen. Sie brauchte diesen Kontakt zu ihrer Familie, vor allem zu Julianna, um sich in Seattle nicht so einsam zu fühlen.
    Annie öffnete die Tür, bevor Courtney geklingelt hatte. „Ich habe den Wagen deiner Großmutter gesehen“, sagte sie. Sie trug enge Shorts, ein weites T-Shirt und große plüschige Hausschuhe.
    Sie lächelte nicht. Ihr Telefongespräch war sehr kurz gewesen, und Courtney fragte sich nun, ob Bethanne ihre Tochter zu dem Treffen aufgefordert hatte oder ob Annie sie wirklich sehen wollte. Courtney war über den Anruf so froh gewesen, dass sie die Motive des Mädchens zunächst gar nicht hinterfragt hatte.
    „Wie geht es?“, fragte Courtney, als sie ins Haus kam.
    „Na ja, ganz gut.“ Annie wandte sich um und stieg die Treppe hoch.
    Courtney folgte ihr, obwohl sie sich gern noch ein wenig umgesehen hätte. Das Haus war wunderschön. Es hatte cremefarbene Wände, die Sitzgarnituren waren dunkelrot und in verschiedenen Grüntönen gepolstert, die Holzfußböden glänzten und darauf lagen schlichte, aber sicherlich wertvolle Teppiche. Den Kaminsims schmückten frische Blumen. Wie nicht anders erwartet, hatte Bethanne einen sehr guten Geschmack.
    An der Wand hing eine Reihe von Bildern, und sie blieb kurz stehen, um sich ein Familienfoto anzusehen, das offensichtlich in glücklicheren Zeiten entstanden war. Andrew ähnelte seinem Vater, mit den dunkelblauen Augen und dem ausgeprägten eckigen Kinn, und Annie kam nach ihrer Mutter. „Wo sind denn die anderen?“, erkundigte sie sich, während sie die mit Teppich ausgelegten Stufen hochstieg.
    „Unterwegs“, erwiderte Annie. „Warum? Ist das ein Problem?“
    Courtney beschloss, den wenig gastfreundlichen Empfang zu ignorieren. „Das ist völlig in Ordnung.“
    „Gut.“ Annie war oben auf dem Treppenabsatz angelangt und runzelte die Stirn, als sie sah, dass Courtney die Fotos betrachtete. „Ich habe Mom gesagt, sie soll die wegwerfen, aber sie weigert sich.“
    Das Glas des aktuellsten Familienbildes war gesprungen, und Courtney fragte sich, ob es vielleicht Annies Zerstörungswut gewesen war, die dafür gesorgt hatte. „In unserem Haus in Chicago sind auch überall Fotos von meiner Mutter.“ Jedenfalls waren sie dort gewesen, bevor das Haus vermietet wurde. „Oft bin ich nach Hause gekommen und ziemlich aufgeregt wegen irgendwas ins Haus gestürmt. Dann, sobald ich ein Bild von meiner Mutter sah, hab ich angefangen zu heulen.“ Selbst wenn sie nur davon redete, verspürte sie den gleichen Effekt. Sie wandte sich ab, um sich die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen.
    Annie sagte einen Moment nichts, dann flüsterte sie kaum hörbar: „Als Dad weggegangen ist, dachte ich zuerst, er würde bestimmt wieder zurückkommen. Ich habe ihn dafür gehasst, dass er uns verlassen hat. Ich wollte ihn … bestrafen. Gleichzeitig sehnte ich mich danach, dass er hier wäre, so wie es immer gewesen ist.“ Sie blickte zur Seite, offenbar weil sie mehr gesagt hatte, als sie wollte.
    „Ich habe bei der Beerdigung meiner Mutter nicht geweint“, gestand Courtney. „Alle haben geheult. Selbst mein Dad konnte sich nicht beherrschen.“ Es war schwierig, das jemandem zu erzählen, selbst jetzt noch. Aber sie wusste, dass Annie es verstehen würde.
    „Warum nicht?“, fragte Annie.
    „Ich glaube, ich muss unter Schock gestanden haben. Es waren so viele

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