Die Maske
Geschmeidig glitt sie in den Wagen, souverän wie eine Taxifahrerin.
»Ich könnte auch fahren, Mr. Sinclair.«
»Wollen Sie denn?«
Ihre Augen blitzten. »Gern, aber lassen Sie uns erst aus der Sichtweite sein. Die Oberin sieht es nicht so gern, wenn wir uns hinter das Steuer setzen. Mein Vater war ein Autonarr. Meine Brüder sind es immer noch. Etwas davon hat abgefärbt. Ich habe sogar mal ein Rennen mitgefahren.« Sie schlug gegen ihren Mund. »Um Himmels willen, sagen Sie das bitte nicht weiter.«
»Keine Sorge, das bleibt unter uns.« Ich lächelte. Diese junge Nonne wurde mir immer sympathischer. Nach etwa einer Meile hielt ich an. Unser Wagen stand wie ein Fremdkörper auf der Straße zwischen den flachen Feldern. »Alles klar — wollen Sie jetzt?«
Ihre Augen leuchteten, als sie nickte. »Gern. Noch eines, Mr. Sinclair, halten Sie mich zurück, wenn ich es zu toll treibe.«
»Sind Sie denn eine so rasante Fahrerin?«
Sie senkte den Kopf. Ihr Gesicht zuckte. »Leider«, gab sie zu. »Es überkommt mich hin und wieder.«
Fünfzehn Sekunden später hatten wir die Plätze gewechselt. Innocencia umklammerte das Lenkrad, atmete tief durch und startete: »Keine Sorge, ich kenne mich aus«, sagte sie als Entschuldigung für ihren schnellen Start.
»Hoffentlich!« Etwa zwei Meilen fuhren wir in die heranbrechende Dämmerung, dann bremste sie und bog in einen schmalen Feldweg ein. Ich schaute dem Licht der bleichen Scheinwerfer nach, in dessen Schein die Gräser und Büsche einen sehr fahlen Glanz bekommen hatten. Schon bald konnten wir auch von einem Feldweg nicht mehr sprechen, denn die Piste war zugewachsen.
Manchmal schlugen die Zweige wie Hände gegen die Karosserie oder kratzten über die Scheiben.
»Weit können wir auf diese Art und Weise aber nicht mehr fahren«, gab ich zu bedenken.
»Keine Sorge, wir sind gleich da.«
Ich habe mal gehört, daß Nonnen nicht lügen. Hier jedenfalls bestätigte sich das Wort. Kurze Zeit später hielt Innocencia an, atmete seufzend auf und drehte mir ihr leicht verschwitztes Gesicht zu. »Ah — das hat richtig gutgetan, Mr. Sinclair. So etwas mußte einfach sein. Ich… ich wollte mal wieder fahren.«
»Was Sie auch getan haben, und zwar hervorragend.«
»O danke.«
Da sie ausstieg, blieb auch ich nicht länger sitzen. Sehr behutsam drückten wir die Türen zu.
Ich ging um den Wagen herum. »Ist es hier? Liegt hier dieser Tanzplatz in der Nähe?«
»Ja.«
»Was hat er zu bedeuten?«
»Er ist ein Ort des Bösen. Der Teufel nistete sich in der Nähe ein und raubte den Füchsen ihre Seelen. Dafür pflanzte er ihnen seinen bösen Atem ein.«
»Und was taten die Füchse?«
»Sie töteten. Sie waren wie tollwütig. Man sprach von roten Augen. Irgendwann einmal war der Spuk vorbei. Da haben die Menschen die veränderten Füchse gefangen und sie einfach verbrannt. Aber einer hat gefehlt. Sein Geist ist nicht in Rauch und Feuer aufgegangen. Er wurde hier in der Nähe begraben.«
»Und Sie kennen die Stelle?«
»Ich hoffe, daß ich mich zurechtfinde. Eine andere Frage? Haben Sie eine Lampe?«
»Ja.«
»Das ist gut, dann lassen Sie uns gehen, denn ich befürchte das Schlimmste.«
»Die Maske?«
»Meine Schwester sprach davon. Ich aber kann mir nicht vorstellen, worum es da geht.«
»Man sollte einen Maskenmörder in Betracht ziehen.«
»Das kann sein.« Innocencia ging jetzt schnell. Ihre Kleidung hatte sie gerafft, damit sie der lange Saum nicht beim Gehen behinderte oder sich irgendwo festhakte.
Ich mußte mich beeilen, um mit ihr Schritt halten zu können. Wir drangen in das Gelände ein und liefen in einem spitzen Winkel auf das dunkle Waldstück zu, das ich es öfteren mit einem Blick bedachte und das mir stets drohend vorkam, als würde sich zwischen den Bäumen etwas Schlimmes verstecken.
Ich hatte den Ratschlag der Nonne befolgt und meine Lampe hervorgeholt, deren Strahl über den Grund tanzte und auch die zahlreichen Unebenheiten sichtbar werden ließ, die sich manchmal doch zu gefährlichen Stolperfallen in der Dunkelheit entwickeln konnten. Der Nonne schien das alles nichts auszumachen. Sie schritt mit der unerschütterlichen Ruhe eines Motors voran und tat so, als wäre sie hier zu Hause.
Mich an ihrer linken Seite haltend, warf ich einen Blick auf ihr Profil. Es zeigte eine gewisse Härte und zeugte auch von der Entschlußkraft, die sich bei dieser Frau ausgebreitet hatte. Sie war darauf eingestellt, nicht aufzugeben, ihre Wege
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