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Die Maske des Meisters

Die Maske des Meisters

Titel: Die Maske des Meisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henke Sandra
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hatte. Um das Bettlaken mit Blut zu verschmieren. Damit die Entführung dramatischer wirkte.
    „Okay“, sprach sie in den Hörer und erkannte, dass er ein Blender war. Er hatte ihr vorgetäuscht, sie zufällig im Chat zu treffen, hatte ihr den Lehrmeister vorgespielt – und beim Sheriff’s Department absichtlich den Eindruck hinterlassen, dass er zu allem fähig war.
    Doch er hatte immer eine Maske getragen. Jedes Mal eine andere, je nachdem, welche Reaktion er hervorrufen wollte.
    Vali war ein Meister der Manipulation, aber das machte ihn nicht zu einem Folterknecht. Claire kam zu dem Schluss, dass er Cynthia nichts tun würde, weil er ein einfühlsamer Mann sein musste, sonst wäre er nicht fähig, so geschickt zu manipulieren. Er beabsichtigte, anders zu erscheinen, als er war. Wer versteckte sich wirklich hinter der Maske des Meisters?
    „Hallo?“ Eine Bonnie-Tyler-Stimme riss Claire aus ihren Gedanken.
    „Cynthia Bavenger?“
    „Ja, das bin ich, und ich will, verdammt noch mal, dass ihr mich endlich rettet.“
    Die Frau am anderen Ende der Leitung klang keineswegs eingeschüchtert, was in Claire Erleichterung hervorrief. Vali hatte ihr offensichtlich nichts getan, sonst hätte sie sich anders verhalten.
    „Ich bin nicht vom Sheriff’s Department.“ Während des Sprechens hatte sich plötzlich etwas verändert. Sie konnte mit einem Mal ihre eigene Stimme über den Hörer hören, wie eine Art Widerhall. Vali musste den Lautsprecher angeschaltet haben, um das Telefonat mitzuhören.
    „Sind Sie nicht?“, fragte Cynthia anklagend, und Claire konnte vor ihrem geistigen Auge sehen, wie ihre Gesprächspartnerin die Augenbrauen anhob.
    Claire war irritiert. Das Entführungsopfer verhielt sich keineswegs wie ein Opfer. Kein Jammern, kein Flehen und Weinen, sondern fordernde Überheblichkeit. Das brachte Claire durcheinander. Konzentriere dich, ermahnte sie sich. „Nein, es tut mir leid. Aber mein –“
    Vali unterbrach sie barsch. „Keine Informationen! Weder in die eine noch in die andere Richtung.“ Er klang wie die Stimme aus dem Off, weiter entfernt als die seiner Gefangenen. Vermutlich stand er hinter ihr, um sie zu kontrollieren und einzuschüchtern.
    „Dann tun Sie gefälligst Ihre Bürgerpflicht“, wetterte Cynthia in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung.
    Wenn das so einfach wäre, grübelte Claire. Sie wollte ihr einige Hinweise über ihren Aufenthaltsort entlocken, ohne dass Vali es merkte, doch das war nicht so einfach.
    Sie suchte nach etwas Vertrautem, aber die Cynthia Bavenger von heute hatte nichts mehr gemein mit der Cindy Smith von früher. Damals war sie nett gewesen, unkompliziert und nicht so ruppig. Sie hatte auch keine Reibeisenstimme gehabt. War eine Krankheit die Ursache? Oder Alkohol und Zigaretten?
    Claire entschied, sie zu siezen. „Geht es Ihnen gut?“
    „Nein, ich hol mir noch den Tod in diesem Loch.“ Plötzlich hielt sie geräuschvoll den Atem an. Hatte Vali ihr ein Messer an die Kehle gehalten? Bedrohte er sie mit einer Pistole? Oder hatte er den Arm um ihren Hals gelegt, um sie zu ermahnen, nicht zu weit zu gehen?
    „Das ist hier nicht das Ritz Carlton“, sagte Vali in einem ruhigen Tonfall, doch in eben dieser Ruhe lag eine subtile Bedrohung, sodass Cynthia schwieg.
    Claire suchte nach den richtigen Worten, kam sich jedoch unbeholfen vor. „Sind Sie krank?“
    „Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Meine Wunde ist versorgt, und ich habe alles, was ich brauche – außer meiner Freiheit“, antwortete Cynthia zögerlich. „Was wollen Sie nun unternehmen, um mich hier herauszuholen?“
    „Sie meinen wohl, Sie und Libby“, hakte Claire nach und spürte, wie ihr Herzschlag schneller wurde. „Liberty Brewer ist doch bei Ihnen, oder nicht?“
    Cynthia seufzte. „Libby heult ständig und geht mir gehörig auf den Nerv. Wenn er sie nicht bald umbringt, tue ich es.“
    „Beide sind wohlauf. Glaub es mir oder nicht, ich kümmere mich gut um sie.“ Vali schien seine Gefangene gezwickt zu haben, denn sie gab einen spitzen Schrei von sich, der jedoch erschrocken und nicht nach Schmerz klang. „Manchmal denke ich, ich kümmere mich zu gut. Aber Privilegien können jederzeit entzogen werden.“
    „Privilegien?“, echote Cynthia nasal.
    Erneut atmete sie so heftig ein, dass Claire es am anderen Ende der Leitung hören konnte. Sie wusste nicht, was in Valis Versteck vor sich ging, doch sie ahnte, dass er sein Opfer daran erinnerte, wer über ihr Schicksal

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