Die Maske des Meisters
säuerlich roch, fand sie nichts zum Frühstücken vor. Sie trank eine Tasse Kaffee und beschloss, nach Oakwood zu fahren, um den Kühlschrank zu füllen.
Glücklicherweise stand Todds Chevrolet Blazer noch vor dem Haus. Sie hatte einen Bärenhunger und musste zudem etwas zu tun haben, bis Todd eintraf. Dann würde sie ihn über die Ermittlungen ausquetschen. Vielleicht hatte der Täter bei der Entführung von Liberty Brewer Spuren hinterlassen. Außerdem hatte sie ein Hühnchen mit ihrem Bruder zu rupfen, weil er absichtlich verschleiert hatte, dass sie Cynthia Bavenger unter ihrem Ruf- und Mädchennamen Cindy Smith kannte.
Sie fuhr ans andere Ende von Oakwood und stellte den tarnfarbenen Chevy auf dem Parkplatz von Emmas Groceteria ab, dem einzigen Supermarkt im Ort. Er war klein, aber da Claire sich nur mit Grundnahrungsmitteln eindecken wollte, reichte das Sortiment aus. Rasch stieg sie aus dem Auto und spurtete mit einem Einkaufswagen in den Lebensmittelladen. Je schneller sie wieder im Wagen saß, desto weniger Bekannten, die bohrende Fragen stellen würden, konnte sie begegnen.
Als sie an der Gemüsetheke stand, um Brokkoli für einen Auflauf einzutüten, fiel ihr ein Mann auf, der sich unmöglich verhielt. Er nahm jede einzelne Tomate in die Hand und begutachtete sie kritisch. Am liebsten hätte sie ihm an den Kopf geworfen: „Muss das sein? Andere wollen die Tomaten noch essen.“ Aber bevor sie etwas sagen konnte, schlenderte er weiter. Er hatte weder einen Einkaufswagen noch einen Einkaufskorb dabei.
Kopfschüttelnd fuhr Claire mit den Besorgungen fort, doch während sie an der Käsetheke stand und geriebenen Cheddar zum Überbacken auswählte, fiel der Mann ihr schon wieder auf. In einer Ecke des Supermarkts standen eng beieinander einige Ständer mit Kleidung, und er schob lustlos einige Kleiderbügel mit Kindershirts hin und her, dabei trug er nicht einmal einen Ehering.
Das muss ja nichts heißen, sagte sich Claire und zuckte zusammen, denn der Mann guckte plötzlich auf und spähte zu ihr herüber. Verlegen senkte sie den Blick und verschaffte sich einen Überblick über ihren Einkauf. Der Fremde musste sich ja vorkommen, als würde sie ihn verfolgen.
Irgendwie kam er ihr bekannt vor, zumindest diese orangeroten Haare. Hoffentlich war er kein alter Schulkollege, der sie mit der Frage ansprechen würde: „Na, was machst du so?“
Was hätte sie antworten sollen? Dass sie ihrem Bruder auf der Tasche lag und mit dem meistgesuchten Kriminellen der Gegend verkehrte? Wohl kaum.
Sie kaufte alle Zutaten ein, um French Toast und Pancakes zu machen, zudem Saft und eine Familienpackung mit Mini-Butterfingern.
Als sie gerade an einem Regal vorbeiging, auf dem Geschirr drapiert war, schaute sie unerwartet in ein Augenpaar. Der Mann fühlte sich offensichtlich ertappt, denn er schrak zurück und wandte sich ab. Es war der Fremde, der ihr nun schon zweimal in Emmas Groceteria aufgefallen war. Und diesmal war Claire es, die sich verfolgt fühlte.
Nicht nur das, sie hatte jäh eine Ahnung, woher sie dieses flammend rote Haar kannte. Konnte das der Mann sein, der sie im Sensuality , Ranias Erotiklädchen in Cincinnati, durch die Schaufensterscheibe angestarrt hatte?
Nein, nein, der Zufall wäre zu groß. Er schien sie zudem nicht wiederzuerkennen, oder zumindest zeigte er es nicht. Sie konnte ihn nicht fragen, weil er im Supermarkt untergetaucht war, und wollte eigentlich auch keine Konfrontation.
Während sie an der Kasse bezahlte, grübelte sie immer noch über den Fremden nach. Jetzt erinnerte sie sich. Die Haare des Mannes in Cincinnati waren hellrot gewesen, dieser hier hatte einen orangeroten Schopf. Es musste sich um zwei verschiedene Kerle handeln.
Oder hatten seine Haare in der Hauptstadt des Hamilton County nur heller gewirkt, weil er auf dem Bürgersteig im gleißenden Sonnenlicht gestanden hatte? Das künstliche Licht des Supermarktes verzerrte Farben. Das hatte sie selbst schon am eigenen Leib erfahren, als sie mal einen braunen Lippenstift gekauft hatte, der sich im Tageslicht betrachtet als dunkellila entpuppte.
Claire fühlte sich beobachtet. Immer wieder schaute sie über ihre Schulter zurück, aber der Mann war weit und breit nicht zu sehen. Sie nahm ihre Einkaufstüten, eilte zum Chevy und warf sie auf den Rücksitz. Erst als sie im Wagen saß und die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete sie tief durch.
„Oh, mein Gott, du leidest an Verfolgungswahn!“, stieß sie aus, holte
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