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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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vergewisserte sich, daß
man ihm jetzt zusah, griff hinein und zog wahllos mehrere Masken heraus. Mit
dem Ruf: „Da habt ihr, was ihr braucht!“, warf er die Masken einzeln den Anwesenden
zu, fast behutsam und so, daß die Masken für einen Augenblick durch die Luft
zu segeln schienen. Jubel antwortete ihm. Hände reckten sich, fingen ab, was da
heransegelte, der erfolgreiche Fänger trennte sich sofort von seinem Nachbarn,
bemüht, die Beute ungestört anzulegen. Einige gab es, die sich schnell
begutachten ließen; ich konnte beobachten, daß es auch zu einem Maskentausch
kam. Mir entging nicht, daß Timmsen zu den glücklichen Fängern gehörte. Was er
hatte ergattern können, zeigte sich erst, als er es unter Drohungen seinem
Hund anprobierte; es war die Maske eines Igels, die Arno zum seltsamsten Lebewesen
im Blinkfeuer machte. Freudig wurde Arno begrüßt, man lockte, man
streichelte ihn, hier und da verwöhnte man ihn mit einem Zuckerstück oder mit
einer Wurstscheibe. Ich mußte glauben, daß Arno all diese Zuwendungen genoß;
seine Purzelbäume konnte ich nicht anders deuten.
    Nach einer ganzen Weile erschien Opa Klaas wieder
auf der Terrasse. Mit Beifall wurde er empfangen. Er bewegte sich unsicher,
suchte nach einer stützenden Hand, die er von Jonas erhielt, dem Schwimmlehrer;
wer Opa Klaas kannte, wußte sogleich, daß er sich gründlich beglückwünscht
hatte mit Windstärke 11. Mit geschlossenen Augen, sein Standbein wechselnd, hörte
er die Rede an, die Jonas auf ihn hielt, erfuhr also, daß er als Inselwirt ein
Helfer gewesen sei in trüben Tagen, daß er für Beladene immer ein offenes Ohr
habe und daß jeder im Irrtum sei, der annehme, bei Opa Klaas allein trinken zu
müssen. Auf ein Zeichen von Opa Klaas wurde ein Kasten Bier herausgebracht und
alle wurden aufgefordert, sich zu bedienen. Er selbst ließ sich eine geöffnete
Flasche reichen, hielt sie gegen die Zuhörer und fand nach einigem Nachdenken
zu der Aufforderung: „Na, denn prost.“ Was ihm dann zugerufen wurde, war nicht zu
verstehen, denn die Zurufe wurden übertönt von einigen Böllerschüssen und dem
wilden Prasseln von Knallfröschen.
    Vom Kamm der Düne wurden Leuchtraketen übers Meer
hinausgeschickt, die zischend aufstiegen, vor dem Niedergehen explodierten und
dabei einen Silberregen entließen. Jetzt konnte ich Laute der Begeisterung
hören.
    Ich spürte, daß mich jemand am Ärmel zupfte, einmal
und noch einmal, im zuckenden, im huschenden Licht der Feuerwerkskörper sah
ich, was mir im ersten Augenblick wie eine Sinnestäuschung vorkam: Neben mir,
in Brusthöhe, erschien eine Maske und starrte mich an, der Drache, meine Maske.
Ein Junge trug sie. Als wollte er sich angemessen verhalten, produzierte er
einen Angstlaut, ein stoßweises Fauchen, dem er dann ein meckerndes Lachen
folgen ließ. Ich wußte, woher er die Maske hatte; ohne eine Erklärung nahm ich
sie ihm ab, und da er quengelte und maulte, drohte ich ihm und ließ ihn stehen.
    Ich suchte Lene, ich fand sie im Blinkfeuer: die
Fröhlichkeit schien sie nichts anzugehen. An einem Ecktisch saß sie für sich
allein und starrte vor sich hin, das Kinn in beide Hände gestützt. Noch bevor
ich hinter ihr stand, erkannte ich, daß es mein Porträt war, das sie auf dem
Tisch ausgebreitet hatte; als ich sie fast berühren konnte, sah ich sogar die
mit Bleistift geschriebene Zahl, „5 Euro“, offenbar hatte Cornelia selbst ihre
Arbeit ausgezeichnet. Als ich Lene eine Hand auf den Nacken legte, stand sie
erschreckt auf und musterte mich wie ertappt, doch nur für einen Augenblick,
denn gleich rollte sie das Porträt zusammen und verschwand im Nebenraum. Ich
wartete auf ihre Rückkehr und legte meine Maske an. Nicht freudig, unwillig
betrachtete sie mich, und als ich sagte: „Nun sind wir uns wieder näher“,
wandte sie sich ab und ging rückwärts einige Schritte von mir fort. Ich folgte
ihr. Ich streckte beide Hände aus, um sie zu berühren, zu umfassen. Sie sagte: „Bitte
nicht“, und sagte dann entschieden: „Geh weg, du.“ Ihre Stimme klang so zurückweisend,
daß ich einen Moment zögerte; da trat sie auf mich zu, griff nach meinem
Gesicht und riß die Maske ab. Ich spürte nur einen kleinen sengenden Schmerz.
    Mit mir sahen auch andere, wie sie entschlossen
zum Feuer ging, die Maske über die Flammen hielt und, nach einem suchenden
Blick zu mir, die Hand öffnete. Zuerst schien es, als drückte die Maske an
einer Stelle das Feuer nieder, aber dann flammte es

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