Die Maske
auf, mein Drache krüllte
sich, erhöhte das Feuer, im Lodern entließ er kleine Funken. Ich kam nicht von
Lene los, die unerbittlich dastand und das Verschwinden der Maske beobachtete,
geradeso, als werde hier eine Strafe vollzogen, die sie selbst verhängt hatte.
Sie ging fort ohne Abschied. Kein Heben der Hand,
kein letzter Blick. Während sie fortging, erwiderte sie keinen Gruß,
antwortete nicht ihren Leuten, die Fragen an sie richteten. Man hat sie zuletzt
auf der Fähre zum Festland gesehen.
Die Sitzverteilung
Sie hatten mich beauftragt, alles für die Ehrung
vorzubereiten, die nicht im großen, im sogenannten Übersee-Saal stattfinden
sollte, sondern in einem Raum, den manche von uns nur den Sonntagsclub nannten.
Es war ein warmer, ein anheimelnder Raum, mit schweren dunkelroten Fenstervorhängen,
neben dem schlichten Rednerpult standen die beiden weißen Gladiolensträuße,
dahinter zwei Kerzenständer, und von der Stirnseite grüßte eine knapp bemessene
Porträtgalerie mit Gesichtern von Männern, die hier in vergangener Zeit geehrt
worden waren. Sinnierend, entschlossen, auch fordernd: So blickten sie ins
Publikum hinab, bis auf einen bärtigen Kerl, der so selbstbewußt grinste, als
wollte er sagen, mir kann keiner etwas vormachen. Fast alle hatten sich die
Ehrung auf See verdient. Den Sprengmeister, der sich verdient gemacht hatte bei
der Beseitigung von Spezialbomben aus dem Krieg, hätte man ohne weiteres auch
für einen Kapitän halten können.
Nach sorgfältigen Erkundigungen hatte ich
Namensschilder drucken lassen, die ich selbst auf die Stühle legte, in der
ersten Reihe ein Schild ohne Namen, nur mit dem Titel Bürgermeister, und gleich
daneben setzte ich ihn, Kapitän Karsten Klockner, der an jenem Nachmittag
geehrt werden sollte. Namenlos, lediglich mit Berufsangabe, reservierte ich ein
paar Stühle für die Presse, die beiden Photographen plazierte ich neben den
Hinterausgang. Off genug hatte ich erlebt, wie Teilnehmer in den Club
hereinkamen, Bekannte begrüßten, einander zuwinkten, über Stuhlreihen hinweg
Verabredungen trafen und dann nach den namentlich gekennzeichneten Plätzen
suchten, ihren Plätzen, wobei sie sich mitunter, Entschuldigungen murmelnd,
dicht aneinander vorbeizwängten. Manche schienen enttäuscht, daß sie den ihnen
zugedachten Platz nicht in der ersten, sondern in der dritten Reihe fanden,
andere lächelten zufrieden bei der Entdeckung, daß man ihnen das Geschenk der
dritten Reihe gemacht hatte.
Es war mir gelungen, ein Photo der Britta aufzutreiben,
des betagten Holzschoners, den Karsten Klockner fünf Jahre als Kapitän gefahren
hatte, immer nur auf Ost- und Nordsee; ich ließ das Photo vergrößern und auf
einer Tafel befestigen. Fast jeder, der in den Raum kam, warf einen Blick auf
das Schiff, das bei ruhiger See an einer Insel vorbeipflügte, ein mächtiges
Schiff mit erstaunlichen Aufbauten; bei jeder Reise nahm die Britta auch
einige Passagiere mit. Für einen der Passagiere, die auf der letzten Reise an
Bord waren, hatte ich einen Stuhl in der ersten Reihe reserviert; es war ein
pensionierter Lehrer, der von der beabsichtigten Ehrung erfahren hatte und
unbedingt teilnehmen wollte. Heinsohn hieß er; die Rettungsweste, die er an
Bord immer getragen haben soll, war sein Glück gewesen. Seine Versuche, mit
einem der Versicherungsleute ins Gespräch zu kommen, mißlangen - ich hatte
zwei von der Gesellschaft Securitas Maritim ebenfalls in die erste Reihe
gesetzt, den Direktor und dessen Rechtsberater.
Einer war offenbar nicht einverstanden mit dem
Platz, den ich ihm zugedacht hatte; ich beobachtete, wie Riedel, einst Funker
auf der Britta, Namensschilder von den Stühlen hob, auch sein Namensschild,
und ruhig etwas erwog und kalkulierte und die Schilder dann zurücklegte -
jedoch so, daß er nun, statt in der Mitte, am äußersten Rand einer Stuhlreihe
sitzen sollte! Riedel hatte damals den Funkspruch gleich auf die Brücke
gebracht und Kapitän Klockner darüber informiert, daß die Britta bei
gleichbleibendem Kurs in ein Sturmgebiet hineinfuhr, der Fährverkehr sei
bereits eingestellt, ein Fischerboot sei dort gesunken. Ruhig hatte der Kapitän
diese Information zur Kenntnis genommen, nach einem prüfenden Blick auf die
Seekarte hatte er sich entschlossen, den Kurs beizubehalten. Auch nach einem
kurzen Gespräch mit Steuermann Fritsche - ich hatte einen Platz für ihn in der
zweiten Reihe vorgesehen, unmittelbar hinter dem Stuhl für den
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