Die Maske
Bürgermeister -
war der Kapitän bei seinem Entschluß geblieben. Er soll zu seinem Steuermann
gesagt haben: „Diesen Sturm, Klaus, sitzt unsere Britta bestimmt
aus.“ Sie kannten einander lange, schon auf der Seefahrtsschule waren sie
Freunde gewesen, und nachdem sie zunächst auf verschiedenen Routen gefahren
waren, war es ihnen geglückt, gleichzeitig an Bord der Britta zu
kommen.
Fritsche saß in der Nachbarschaft eines Reedereivertreters
und gab ein Beispiel dafür, wie unwillig man Fragen beantworten kann; jedes
Mal, wenn er angesprochen wurde, überhörte er zunächst die Frage und ließ sich
die Worte wiederholen, oder er ließ es mit einem Kopfschütteln oder einem Heben
der Schultern oder einem Nicken genug sein. Mit Kapitän Klockner wechselte er
nur einen flüchtigen Handschlag, es hatte den Anschein, als hätten die beiden
Männer sich nichts mehr zu sagen. Es wunderte mich nicht, denn ich hatte von
zwei Seiten erfahren, daß Fritsche vorgeschlagen hatte, einen Hafen an der
norwegischen Küste aufzusuchen oder das Sturmgebiet zu umfahren, doch der Kapitän
hatte auf seiner Entscheidung beharrt, und so war es zu der Prüfung für Schiff
und Besatzung gekommen.
Ein Stuhl in der zweiten Reihe blieb leer, ich
hatte ihn für Christian Gusik reserviert, von dessen Anwesenheit an Bord
niemand - oder genauer: zunächst niemand - etwas gewußt hatte, erst als die Britta das
Sturmgebiet erreicht hatte, rollte und unter schweren Brechern erzitterte,
verließ er den Proviantraum, in dem er sich versteckt hatte, fand den Weg zur
Brücke und gab sich Kapitän Klockner als blinder Passagier zu erkennen. Der
Kapitän hatte Erklärungen gefordert, und nachdem er erfahren hatte, daß Gusik
in politische Aktivitäten verwickelt war und sich als politischer Flüchtling
ausgab, hatte er beschlossen, den Mann auf der Brücke zu behalten, in einem
engen Ruheraum, den er mitunter selbst zu kurzem Schlaf benutzte. -
Das war geschehen, noch bevor die Britta das
Zentrum des Sturmgebietes erreicht hatte und es für alle erkennbar war, daß das
Schiff an Fahrt verloren hatte.
Den Grund dafür hatte Pfeiffer dem Kapitän
mitgeteilt - Pfeiffer, der Erste Maschinist des Schiffes, den ich an den Rand
der zweiten Reihe gesetzt hatte. Was er meldete, hatte man auf der Brücke bereits
wahrgenommen - skeptisch, ungläubig -, es konnte keinem entgangen sein, daß die
Maschine der Britta nicht mehr arbeitete und vor den anrollenden Wellen
querschlug. Sie nahmen Wasser über, tauchten schwer ein, die Wellen waren so
hart gegen die Bordwand geschlagen, daß die Gischt bis zur Brücke hinaufflog.
Bevor er wieder hinuntergestiegen war, hatte Pfeiffer dem Kapitän versichert,
daß sie zu dritt an der ausgefallenen Maschine tätig sein würden und hofften,
das Schiff bald wieder auf Kurs zu bringen. Wie ich erfuhr, hatte Pfeiffer dem
Kapitän darin zugestimmt, das Hilfsangebot eines Hochseeschleppers nicht sofort
anzunehmen. Riedel, der Funker, hatte ihn nicht mit einem Notsignal gerufen,
das stand auch nicht zur Debatte, woraufhin der Hochseeschlepper im Sturmgebiet
auftauchte und zunächst nur in Sichtweite der Britta blieb.
Steuermann Fritsche hatte den Eindruck, daß er einfach auf der Suche war, womit
er andeutete, daß er auf Beute aus war. Dem Kapitän war nicht entgangen, daß
Gusik die Ablehnung des Hilfsangebotes mit Erleichterung zur Kenntnis genommen
hatte, und nicht nur dies: Als könnte seine Ermunterung etwas bewirken, hatte
er dem Maschinisten zutraulich auf die Schulter geklopft und ihn mit einem
Blick voller Bewunderung gemustert. Er hatte auch nicht gezögert, dem Kapitän
ausdrücklich zu danken; da er die Nationalität des Hochseeschleppers
ausgemacht hatte und fürchten mußte, dorthin zurückgebracht zu werden, wo man
ihn sogleich festsetzen würde, vermutete er, daß der Kapitän auch seinetwegen
das Hilfsangebot abgelehnt hatte. Für diese hochgemute Auslegung hatte der
Kapitän nur ein Kopfschütteln übrig gehabt. - Zuletzt war Gusik gesehen worden,
als er sich an ein treibendes Schlauchboot herankämpfte, zum Erstaunen seiner
Beobachter in das Schlauchboot hineingelangte und vom aufkommenden, immer
stärker werdenden Wind abgetrieben wurde.
Wie ich vorausgesehen hatte, begrüßte es der
Vertreter der Reederei, daß ich ihm einen Platz neben den beiden Versicherungsleuten
reserviert hatte. Sie schienen einander zu kennen, sie schienen einander auch
zu schätzen, Männer, erprobt in geduldigen, niemals lautstarken
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