Die Masken der Liebe
Ihnen der Mann seinen Beruf genannt, Herr Konradi?«
»Früher war er Milchprüfer, jetzt ist er Vertreter für Lehrmittel.«
Der Wachtmeister schrieb das alles auf und erklärte zum Schluß: »Vorläufig weiß ich nun Bescheid. Im Moment ist noch nichts zu machen, aber morgen werden wir sehen. Die Vermißte ist 24 Jahre alt, für ihr Verschwinden – soweit man nach drei Stunden überhaupt schon von einem Verschwinden reden darf – kann sich eine ganz normale Erklärung finden –«
»Rufen Sie doch wenigstens Ihren Kollegen in Marktstett an!« unterbrach ihn Elisabeth Konradi verzweifelt.
»Wieso?«
»Ob dieser Sanke schon bei seinem Vater eingetroffen ist!«
»Woher soll mein Kollege das wissen?«
»Großer Gott, er muß halt nachsehen! Dazu ist die Polizei doch da!«
Der Beamte zuckte die Achseln. »Meinetwegen.«
Er rief an. Doch dann wurde dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Der Anruf ging ins Leere. Es meldete sich niemand. Entweder war der Posten in Marktstett unbesetzt, oder es hatte dort einer einen Schlaf, der den seines Kollegen in Ebbenrath noch in den Schatten stellte.
Das Ganze spielte sich vor vielen Jahren ab, relativ kurze Zeit nach der Währungsreform. Man muß sich daran erinnern, um solche Dinge für möglich zu halten. Heutzutage könnte sich das nicht mehr wiederholen.
Elisabeth und Heinz Konradi sahen sich also auf sich selbst angewiesen.
Als sie das Revier in Ebbenrath verließen, schickte Heinz einen anklagenden Blick zum Himmel empor und stieß hervor: »Schöne Zustände sind das!«
»Was nun?« fragte Elisabeth bang.
Heinz blickte zurück zur Tür der Polizeiwache und schüttelte nur noch den Kopf.
4
Das Ergebnis auf der Polizei hätte also magerer nicht sein können. Plötzlich fiel den beiden etwas ein. Sie liefen noch einmal zurück und erreichten bei dem Beamten, daß er im Krankenhaus von Ebbenrath anrief und anfragte, ob in der Zeit zwischen halb elf und zwei Uhr ein Unfallopfer, ein Mädchen, eingeliefert worden sei. Doch auch diese Anfrage verlief ergebnislos.
Nein, man hatte keine Unfall-Einlieferung zu verzeichnen gehabt. Lediglich eine Fehlgeburt.
Klick – das Telefon schwieg.
Dunkelheit und Rätsel auf der ganzen Linie. Ein Mensch verschwindet spurlos, ein gesunder, erwachsener, mit sämtlichen Ausweismitteln versehener Mensch.
Elisabeth Konradi war dem Zusammenbruch nahe. Der Weg vom Polizeirevier zu ihrem Haus war mehr ein Sichschleppen als ein Gehen. Ihre Gedanken waren leer, ratlos; verzweifelt machte sie sich die bittersten Selbstvorwürfe.
Heinz Konradi legte sich unterdessen einen Plan zurecht. Einen Plan, der – wenn er präzise abrollte – eine mustergültige Fahndungsaktion in eigener Regie werden konnte.
Zunächst würde man nach Marktstett gehen, und zwar auf zwei verschiedenen Strecken.
Über die Chaussee Elisabeth und er. Über den Berg und durch den Wald Anny von Borcken und Erich Kiel in Begleitung von Bebsy als Spürhund.
Vor der Post in Marktstett sollte man sich dann treffen, falls Brigitte nicht gefunden wurde.
Dann: Besuch beim Vater Paul Sanke in Marktstett. Dort gab es zwei Möglichkeiten: Befand sich Herbert zu Hause, so war Brigitte etwas zugestoßen; befand er sich nicht zu Hause, wollte man warten bis morgen früh.
Und dann würde Punkt 3 zur Ausführung kommen: Alarmierung der Feuerwehr; Anzeige bei der Kriminalpolizei in der Kreisstadt; Einsatz von Suchtrupps und Aufrufe an die Bevölkerung zur Mithilfe. Außerdem Benachrichtigung der Medien, während die ganzen Wälder um Ebbenrath systematisch würden durchgekämmt werden.
Heinz Konradi runzelte die Stirn. Sein Phlegma war berühmt, es konnte sogar Melancholiker in Raserei versetzen, aber wenn er einmal die Zügel in die Hand nahm, dann geschah die Fahrt so verwegen, so genau, logisch und rücksichtslos, daß seine Umgebung lange aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Und was er in dieser Nacht mit scharfem Verstand entwickelte, war der Entwurf einer Musterorganisation.
Anny von Borcken saß noch immer an ihrem Schlafzimmerfenster und wartete auf Nachrichten. Als sie Elisabeth und Heinz stumm und bedrückt ankommen sah, wußte sie alles und hätte gar nicht mehr zu fragen brauchen. Trotzdem tat sie es: »Habt ihr sie?«
Beide schüttelten verneinend die Köpfe, und Heinz sagte: »Wir müssen nach Marktstett.«
»Ich komme mit«, entschied sich Anny spontan.
»Darauf habe ich gehofft«, antwortete Heinz und entwickelte ihr seinen Plan. Abschließend sagte er, um die
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