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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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kommen dann die verletzenden und unfreundlichen Bemerkungen, und wenn das nicht genügt, tritt die Gewalt auf.
    Wenn das Opfer widersteht und versucht, sich aufzulehnen, weicht die Böswilligkeit einer erklärten Feindschaft. Jetzt beginnt die Phase der seelischen Zerstörung, die als Psychoterror bezeichnet wurde. Dabei sind alle Mittel recht, einschließlich der körperlichen Gewalt, um eine bestimmte Person zu vernichten. Das kann zu ihrem psychischen Verfall führen oder zum Selbstmord. Bei dieser Gewalt hat der Aggressor die Interessen des Unternehmens aus den Augen verloren und will einzig und allein den Untergang seines Opfers.
    Beim perversen Geschehensablauf ist nicht nur das Ringen um Macht im Spiel, sondern vor allem der Genuß, den anderen wie ein Objekt, wie eine Marionette zu behandeln. Der Aggressor zwingt den andern in eine Position der Ohnmacht, um ihn dann ungestraft zu zerstören. Er zögert nicht, alle Mittel anzuwenden, um sein Ziel zu erreichen; selbst dann nicht, wenn dies auf Kosten anderer geht. Die anderen herabzusetzen, um eine gute Meinung von sich selbst zu gewinnen, erscheint ihm gerechtfertigt. Achtung vor anderen kennt er nicht. Was überrascht, ist seine grenzenlose Empörung über Nichtigkeiten und ein völliges Fehlen von Mitgefühl mit Menschen, die er in unerträgliche Situationen getrieben hat. Wer dem anderen Gewalt zufügt, ist der Meinung, daß dieser sie verdient und sich nicht beklagen darf. Das Opfer ist nur noch ein lästiger Gegenstand, dessen Eigenständigkeit verneint wird. Es wird ihm kein Recht auf Gefühl oder Gemütsbewegung zugestanden.
    Angesichts dieser Aggression, die das Opfer nicht versteht, fühlt es sich allein; denn es herrschen, wie immer unter perversen Verhältnissen, Feigheit und Entgegenkommen in einer Umgebung vor, die fürchtet, ihrerseits zur Zielscheibe zu werden. Es gibt allerdings manchmal auch den Fall, daß sie auf sadistische Weise das Schauspiel dieser Zerstörung genießt.
    In einer normalen Beziehung ist es immer möglich – notfalls in einer Auseinandersetzung der Allmacht des anderen eine Grenze zu setzen, um ein Kräftegleichgewicht herzustellen. Aber ein perverser Manipulator, der nicht den geringsten Widerspruch gegen seine Macht erträgt, verwandelt eine konfliktäre Beziehung in Haß, der sogar die Zerstörung des Partners zum Ziel haben kann.
     
    Lucie arbeitet seit zehn Jahren als Repräsentantin in einem kleinen Familienbetrieb. Sie war bei der Gründung des Unternehmens dabei und ist ihm sehr verbunden. Am Anfang war es eine echte Herausforderung, Kunden zu finden.
    Der Chef ist immer ein Süßholzraspler gewesen, väterlich, selbstherrlich. Aber seit der Aufschwung da ist, erweist er sich als Tyrann, als Despot. Er sagt nicht guten Tag, wenn er kommt, sieht seine Angestellten nicht an, wenn er ihnen Anweisungen erteilt, verlangt, daß die Bürotüren offen bleiben, gibt fünf Minuten vor einer Zusammenkunft den Anlaß bekannt und so fort. All diese kleinen Details zehren an den Kräften, weil sie einen zwingen, ständig auf alles zu achten. Um besser herrschen zu können, begünstigt er Klatsch, Streitigkeiten, er schmeichelt den Fügsamsten und stellt sich denen entgegen, die ihm Widerstand leisten. Um sich dem zu widersetzen, was sie als eine «Machtergreifung» empfindet, sucht Lucie sich abseits zu halten, was als Auflehnung angesehen wird.
    Alles gerät aus dem Lot, als er eine andere Repräsentantin einstellt. Sofort wird die «Neue» auf den Sockel erhoben mit einer für alle offensichtlichen Vorzugsbehandlung. Angesichts einer derart frappierenden Ungerechtigkeit, die wie ein verwirrender Verführungsversuch erscheint, wird die neue Mitarbeiterin selbst argwöhnisch und zieht es vor zu gehen. Der Chef holt sie wieder zurück, überredet sie zum Bleiben und läßt alle wissen, dieses Tohuwabohu verdanke man nur der Eifersucht von Lucie.
    Wenn er die beiden Frauen einander als Rivalinnen gegenüberstellt, denkt sich der Chef, dann werden sie sich gegenseitig angreifen, und er wird sie leichter in den Griff bekommen.
    Von da an ist Lucie isoliert. Sie erfährt nichts mehr. Ihre Arbeit wird nicht anerkannt, nichts ist mehr zufriedenstellend. Man verbreitet überall, sie sei unfähig. Auch wenn ihr bewußt ist, daß sie eine gute Repräsentantin ist, zweifelt sie am Ende an ihren Fähigkeiten. Sie ist gestreßt, verwirrt, aber zwingt sich, es nicht zu zeigen, denn sie spürt, daß das gegen sie verwendet werden könnte. Die

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