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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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Person, die Ziel des Einflusses ist, kann a priori nicht aus freien Stücken einwilligen. Der Gang der Einflußnahme wird auf die Empfindlichkeit und Verletzlichkeit des anderen abgestimmt. Dies geschieht vor allem durch Verführung und Manipulation. Wie bei jeder Manipulation besteht der erste Schritt darin, den Gesprächspartner glauben zu lassen, er sei frei, auch wenn es sich um ein hinterhältiges Vorgehen handelt, das den, der ihm ausgesetzt ist, seiner Freiheit beraubt. Da wird nicht von gleich zu gleich argumentiert, sondern Druck ausgeübt, und gleichzeitig wird der andere daran gehindert, sich des Vorgangs bewußt zu werden, weil Diskussion oder Widerstand schon im Keime erstickt werden. Das Opfer kann sich gar nicht erst verteidigen, kann nicht mehr kritisch urteilen und sich somit auch nicht auflehnen. Das ist das bekannte Szenario, wenn ein Individuum seinen Einfluß mißbraucht, ohne daß es dem anderen, der unter Druck gesetzt wird, bewußt wird. Im täglichen Leben werden wir unablässig manipuliert, destabilisiert, verwirrt. Jedesmal sind wir wütend auf den, der uns betrogen hat, aber wir schämen uns vor allem unserer selbst. Hier aber handelt es sich nicht um materielle, sondern um seelische «Übervorteilung».
    Beherrschender Einfluß oder Dominanz: das ist die geistige oder seelische Bevormundung in einem Abhängigkeitsverhältnis. Die Macht verführt den anderen, er wird hilflos, er kann gar nicht anders als einwilligen und zustimmen. Dies erfordert unter Umständen verschleierte Drohungen oder Einschüchterungen, denn er muß geschwächt werden, um ihm die eigenen Ansichten aufzwingen zu können. Zustimmung abzunötigen, bedeutet das Eingeständnis, daß man den anderen nicht als gleich anerkennt. Die Einflußnahme kann so weit gehen, daß der andere nicht mehr seine eigenen Gedanken denkt, wie bei einer echten Gehirnwäsche. Im Zusammenhang mit jenen Ereignissen, die imstande sind, Erscheinungen von Persönlichkeitszerfall nach sich zu ziehen, werden in der internationalen Klassifikation der Geisteskrankheiten Personen erwähnt, die längerdauernden Verfahren zwangsweiser Überredung unterzogen wurden, wie Gehirnwäsche, ideologische Umerziehung, Indoktrination in Gefangenschaft.
    Diese Art von Dominanz existiert nur im Beziehungsbereich: Sie ist die geistige oder seelische Beherrschung des anderen, die Faszination oder der Einfluß des einen auf einen anderen. 19 Das Opfer ist in einem Spinnennetz gefangen, zur Verfügung gehalten, psychologisch gefesselt, betäubt. Ihm ist oft nicht einmal bewußt, daß ein Übergriff stattgefunden hat. Drei Stufen sollte man unterscheiden:
     
    • # Aneignung durch Enteignung
    • # Beherrschung (der andere wird in einem Status der Unterwerfung gehalten)
    • # Prägung (ein «Brandzeichen» soll ihm aufgenötigt werden)
     
    Weil er die Wünsche des anderen ausschaltet und all seine Eigentümlichkeit beseitigt, hat der beherrschende Einfluß diese unleugbar zerstörerische Komponente. Nach und nach findet das Opfer seine Widerstandskraft und seine Widerspruchsmöglichkeiten aufgerieben. Es büßt jede kritische Fähigkeit ein. Gehindert zu reagieren, buchstäblich «starr» vor Staunen, macht es unfreiwillig mit in diesem bösen Spiel. Das heißt aber absolut nicht, daß es eingewilligt hat: Man hat es zur Sache gemacht, es vermag keinen eigenen Gedanken mehr zu fassen, es muß denken wie sein Aggressor.
    Bei der perversen Strategie darf man den anderen nicht sofort vernichten, sondern muß ihn nach und nach unterwerfen und ihn zur Verfügung halten. Es ist wichtig, die Macht zu behaupten und zu überwachen. Die Machenschaften sind zuerst harmlos, werden aber fortschreitend gewaltsamer, falls der Partner sich widersetzt. Ist er zu fügsam, ist das Spiel nicht spannend. Es muß sich hinreichend Widerstand regen, damit der Perverse überhaupt Lust hat, die Beziehung fortzusetzen; aber nicht zuviel, damit er sich nicht bedroht fühlt. Er ist es, der das Spiel leiten muß. Der andere ist nur ein Objekt, das an seinem Platz für Objekte zu bleiben hat, ein brauchbares Objekt und kein interaktives Subjekt.
    Die Opfer schildern alle die Schwierigkeit, sich auf eine Tätigkeit zu konzentrieren, wenn ihr Peiniger in der Nähe ist. Dieser bietet dem Beobachter ein Bild vollkommener Unschuld. Ein großer Abstand besteht zwischen seinem offensichtlichen Wohlbehagen und dem Mißbehagen und Leiden der Opfer. Worüber sie sich in diesem Stadium beklagen, ist, daß man

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