Die Masken der Niedertracht
sprechen, oder murmelt etwas in seinen Bart, wenn der andere gerade in einem anderen Zimmer ist. Das zwingt den anderen näher zu kommen, um zu verstehen oder bitten zu müssen, das Gesagte zu wiederholen. Danach ist es leicht, ihm vorzuwerfen, er höre eben nie zu.
Die Botschaft eines Perversen bleibt absichtlich unbestimmt und verschwommen, das stiftet noch mehr Verwirrung. Er kann sagen: «Das habe ich nie gesagt» und jeden Vorwurf ausschalten. Indem er Andeutungen macht, übermittelt er Botschaften, ohne sich zu weit vorzuwagen.
Da er Themen ohne logischen Zusammenhang anschneidet, hält er die Koexistenz von verschiedenen, einander widersprechenden Reden aufrecht.
Wenn er seine Sätze unbeendet läßt, gewissermaßen Auslassungspunkte setzt, ist jede Auslegung und jedes Mißverständnis möglich. Er kann auch obskure Andeutungen machen und sich weigern, sie zu erklären: Die Schwiegermutter bittet ihren Schwiegersohn um eine kleine Gefälligkeit: «Nein, das geht nicht!» «Wieso nicht?»
«Das sollten Sie ja wohl wissen!» «Nein, ich verstehe nicht!» «Na, dann überlegen Sie mal!» Diese Worte sind aggressiv, aber gesprochen in einem normalen Ton, ruhig, beinahe «locker», und der andere, dem für eine aggressive Antwort die Waffe aus der Hand genommen wurde, hat den Eindruck, «verkehrt» zu reagieren. Angesichts solcher Andeutungen ist es logisch, daß man danach sucht, was man Falsches gesagt oder getan haben könnte, und sich schuldig fühlt; es sei denn, man ärgerte sich und eröffnete den Streit. Diese Strategie mißlingt selten: Der andere fühlt sich schuldig, es sei denn, er wäre selbst pervers.
Die destabilisierenden Andeutungen treten nie offen zutage. Eine Mutter sagt zu ihrer Tochter, die vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen: «Hör zu, ich kümmere mich um meine Kinder, wie ich will, kümmere Du Dich um Deine, wie Du willst!» Ein einfacher Lapsus, würde man meinen, wenn auf diese Bemerkung Verlegenheit, Bedauern, oder Entschuldigungen folgten. Aber es handelt sich um ein Steinchen, wie schon so viele andere Steinchen, mal hier, mal da, gedankenlos, gefühllos geworfen.
Ein anderes verbales Verfahren, das bei Perversen üblich ist, besteht darin, eine Fachsprache zu gebrauchen, abstrakt, dogmatisch, um den anderen in Betrachtungen hineinzuziehen, von denen er nichts versteht und zu denen er keine Erklärungen zu erbitten wagt aus Furcht, für dumm gehalten zu werden.
Diese kalten, rein theoretischen Ausführungen haben den Erfolg, daß der Zuhörer daran gehindert wird, nachzudenken und zu reagieren. Der Perverse, indem er sich einer sehr gelehrten Redeweise bedient, vermittelt den Eindruck, Bescheid zu wissen, auch wenn er nur schwafelnd daherredet. Er beeindruckt seine Zuhörerschaft mit oberflächlicher Gelehrsamkeit, wobei er Fachausdrücke verwendet, ohne sich um ihre Bedeutung zu kümmern. Der andere wird sich später sagen: «Er hat mir dummes Zeug vorgeredet, ich weiß gar nicht, warum ich nicht reagiert habe!»
Worauf es bei der Rede des Perversen ankommt, ist eher die Form als der Inhalt; gelehrt erscheinen, um vom Thema abzulenken! Eine Frau, die über ihre Beziehung sprechen will, und ihr Ehemann, der doziert: «Du sprichst eine typische Problematik kastrationssüchtiger Frauen an, die ihren Penisneid auf die Männer projizieren.»
Diese wilden psychoanalytischen Deutungen schaffen es, den anderen zu verwirren, der selten imstande ist, mit gleichem Vokabular zu antworten, um die Situation zu seinen Gunsten zu wenden. Häufig sagen die Opfer, die Argumente ihres Aggressors seien dermaßen zusammenhanglos, daß sie eigentlich darüber lachen müßten, aber ein solches Maß an Unredlichkeit mache sie wütend.
Eine andere perverse Methode besteht in der Behauptung, die Absichten des anderen zu kennen oder seine geheimen Gedanken zu erraten, als wüßte man besser als er, was er denkt: «Ich weiß ja, daß Du diese Leute nicht ausstehen kannst und Mittel und Wege suchst, sie nicht zu treffen!»
Lügen
Häufiger als einer direkten Lüge bedient sich der Perverse zunächst einer Verknüpfung von Hintergedanken, Nichtausgesprochenem, um ein Mißverständnis zu schaffen, das er dann zu seinem Vorteil auszunutzen gedenkt.
In seiner Abhandlung Die Kriegskunst, verfaßt um 500 v. Chr., lehrte der Chinese Sunzi: «Jede Kriegführung gründet auf Täuschung. Wenn wir also fähig sind anzugreifen, müssen wir unfähig erscheinen; wenn wir unsere Streitkräfte
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