Die Masken der Niedertracht
Hauptinteresse des Aggressors und des Angegriffenen und manchmal sogar der Zeugen, die nicht mehr auf ihre Arbeit konzentriert sind. Die Verluste für das Unternehmen können schwerwiegende Ausmaße annehmen, einerseits wegen einer Abnahme der Arbeitsqualität und andererseits wegen der Kostensteigerung auf Grund von Arbeitsausfall infolge von Krankheit.
Es kann übrigens vorkommen, daß das Phänomen sich umkehrt und das Unternehmen zum Opfer derer wird, die es leiten. Das Blut wird ihm ausgesaugt von räuberischen Verfolgern, denen es nur darum geht, sich zu behaupten in einem System, das sie aufwertet.
Das Quälen entsteht immer aus einem Konflikt. Man kann sich fragen, ob dieser Konflikt aus dem Charakter der betroffenen Personen herrührt oder ob er in den Strukturen des Unternehmens angelegt ist. Nicht alle Konflikte arten in Quälerei aus. Damit das geschieht, bedarf es des Zusammentreffens mehrerer Faktoren: Entmenschlichung der Arbeitsbeziehungen; Allmacht des Unternehmens; Duldsamkeit oder geheimes Einverständnis gegenüber dem perversen Individuum.
Am Arbeitsplatz ist es an den Entscheidungsträgern (Unternehmenschef, leitende Angestellte, Meister), Quälereien zurückzuweisen, den Dingen nicht ihren Lauf zu lassen, darüber zu wachen, daß auf jeder Rangstufe der Mensch geachtet wird. Selbst wenn keinerlei Gesetz das seelische Qualen unter Strafe stellt, sind sie es sich schuldig, die Achtung vor den anderen durchzusetzen und Rassismus und Sexismus innerhalb des Unternehmens auszuschließen. Die Gewerkschaften, deren Aufgabe das Eintreten für die Arbeitnehmer ist, sollten in den Katalog ihrer Ziele einen wirksamen Schutz gegen die seelische Niedertracht und andere Verletzungen der Persönlichkeit aufnehmen.
Man darf das Quälen nicht verharmlosen, indem man es zu einer Zwangsläufigkeit in unserer Gesellschaft erklärt. Es ist nicht die Folge der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, es ist eine Entgleisung aufgrund von organisatorischer Laxheit.
II. Die perverse Beziehung und die Protagonisten
3. Die perverse Verführung
Nachdem die klinischen Fälle beschrieben sind, können wir verstehen, daß die perverse Beziehung sich in zwei Phasen einstellt: Die eine ist die der perversen Verführung, die andere die der offenen Gewalt.
Die erste Phase, die der Psychoanalytiker P.-C. Racamier «Enthirnung» 16 genannt hat, 17 kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Sie baut sich fortschreitend auf während der ersten Zeit der Beziehung, in einem Prozeß der Verführung. Das ist eine Vorbereitungsphase, während der das Opfer destabilisiert wird und zunehmend sein Selbstvertrauen einbüßt.
Es geht darum, es zunächst zu verführen, dann zu beeinflussen, schließlich der eigenen Macht zu unterwerfen und ihm damit jegliche Freiheit zu nehmen.
Die Verführung besteht darin, das Opfer auf unwiderstehliche Weise anzulocken, aber auch, in juristischem Sinne, zu verführen und zu bestechen. Der Verführer lenkt von der Wirklichkeit ab, geht vor mittels Überrumpelung, beeinflußt unter der Hand. Er greift niemals frontal an, sondern mittelbar, um die Zuwendung des anderen zu erschleichen, eines anderen, der ihn bewundert, der dem Aggressor ein gutes Selbstbild zurückspiegelt. Die perverse Verführung entwickelt sich, indem sie die Beschützerinstinkte des anderen ausnützt. Diese Verführung ist narzißtisch: Es geht darum, im anderen das einzige Objekt der Faszination zu suchen, nämlich das liebenswürdige Bild seiner selbst. Mittels einer Verführung, die eine Einbahnstraße ist, bemüht sich der narzißtische Perverse darum zu bezaubern, ohne sich selbst einfangen zu lassen. Für J. Baudrillard 18 verhext die Verführung die Wirklichkeit und manipuliert den äußeren Schein. Sie ist nicht Energie, sie gehört in die Kategorie der Zeichen und Rituale und ihres unheilvollen Gebrauchs. Die narzißtische Verführung verwirrt und verwischt die Grenzen zwischen dem, was eigen und dem, was sonstig ist. Mit Wahn wie bei der verliebten Idealisierung, wo man sich, um die Liebe zu bewahren, weigert, die Fehler oder Schwächen des anderen zu sehen, hat das alles nichts zu tun, es ist Einverleibung – mit dem Ziel zu zerstören. Denn die Gegenwart des anderen wird als Bedrohung erlebt, nicht als Ergänzung.
Die Beeinflussung besteht darin, jemanden, ohne zu argumentierten, dahin zu bringen, daß er anders denkt, entscheidet oder sich benimmt, als er es aus eigenem Antrieb getan hätte. Die
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