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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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nur früher begraben, das ist alles.«
       Doch auch diese Worte, mit Martins gewohnter Festigkeit gesprochen, lösten nicht das Problem, und so saßen wir schweigend beisammen, als Springer zurückkehrte. »Da ist eine Stadt«, sagte er. »Da unten, gar nicht weit.« Und er zeigte zur anderen Straßenseite hinüber. Wir folgten mit den Blicken der Richtung seiner ausgestreckten Hand, konnten aber nichts sehen. »Die Stadt liegt auf der anderen Seite«, sagte Springer, und gemeinsam gingen wir hinüber. Wir stiegen hinter ihm einen kurzen Hang hinauf, der grasbewachsen und von Schafen abgeweidet war. Von der Hanghöhe aus erblickten wir im Westen ein breites, dicht bewaldetes Tal, das von dem geraden Lauf eines Flusses durchschnitten wurde, auf dessen jenseitigem Ufer sich die Dächer einer Stadt erhoben, von Holzrauch umhüllt, und auf einer Anhöhe dahinter der Turm und die Befestigungen einer Burg; der untere Teil war von Nebelschwaden verschleiert, doch die Zinnen und die flatternden Banner waren deutlich zu sehen. Und es kam mir so vor, daß irgendein Hauch von Licht diese Dächer und auch die Türmchen berührte – ähnlich jenem Licht, das erstrahlt war, als die anderen bei Brendans Leichnam gesungen hatten. Ein Blinken war zu sehen, das vielleicht von einer Rüstung hoch oben auf den Mauern herrührte. Eine Zeitlang blickten wir wortlos auf das Schimmern des Wassers zwischen den kahlen Weiden und zu den rauchumhüllten Häusern, die sich dahinter befanden. Und während wir so schauten, ertönte plötzlich der Klang von Glocken, sehr leise, wie ein Erschauern in der Luft.
       Es lag eine Fügung darin, genau wie damals, als ich auf die Schauspieler gestoßen war. Worin der Unwissende nur Zufall sieht, erkennt der Weise den Plan. Springer hatte sich von uns entfernt, übellaunig, eine Seltenheit bei ihm. Er hatte einer Anwandlung nachgegeben, die Straße zu verlassen und den Hang hinaufzusteigen … Und dort war die Stadt, die Burg, und die Glocken läuteten. Keiner von uns kannte auch nur den Namen des Ortes. Ein Glücksgeschenk also. Doch mit einem Geschenk kann auch die Absicht verfolgt werden, Böses zu tun. Das Urteil darüber, ob dieses Geschenk der Stadt zum Schlechten oder zum Guten war, überlasse ich denen, die meine Worte bis zu Ende lesen.
       Wir faßten auf der Stelle einen Entschluß: Wir würden von der Straße abweichen, zu der Stadt hinfahren und dafür sorgen, daß Brendan dort bestattet wurde. Dann würden wir das Stück von Adam aufführen, um unsere Börse ein wenig zu füllen. Martin zählte stets die Tage mit, und nach seiner Schätzung fiel auf den heutigen Tag das Fest des heiligen Lazarus, so daß die Leute dem Müßiggang frönen konnten. Trotzdem würde uns noch Zeit genug bleiben, Durham innerhalb der vorgegebenen Frist zu erreichen.
       Die Stadt lag etwa drei Meilen entfernt an einer Straße, die sanft abfiel. Als wir uns ihr ein gutes Stück genähert hatten, hielten wir am Rande hinter den Bäumen, um uns ungesehen auf unseren Einzug in die Stadt vorzubereiten. Wir gaben dem Pferd Hafer und Wasser und befreiten es eine Zeitlang von der Deichsel, so daß es für die harte Arbeit, die nun vor ihm lag, frische Kraft schöpfen konnte: Das Tier mußte mehr als nur Brendans Leichnam durch die Straßen der Stadt ziehen.
       Die Kostüme, in die wir uns kleideten, gehörten nicht zusammen in ein einziges Stück; sie wurden lediglich nach dem Gesichtspunkt ausgewählt, möglichst viel Aufsehen zu erregen. In der Mitte des Karrens wurde eine freie Fläche geschaffen, wo der hochgewachsene Stephen als Gottvater in einem langen weißen Gewand Aufstellung nahm, mit einer vergoldeten Maske, die sein Gesicht vollständig bedeckte, und einer dreifachen Krone auf dem Haupt, ähnlich der des Papstes, jedoch aus Papier, das mit Hilfe von Leim steif gemacht und überdies rot bemalt war. Neben ihm befand sich Martin, gekleidet als die Schlange vor der Verdammung, als sie noch in Eden lebte, mit gefiederten Schwingen und einer lächelnden Sonnenmaske.
       Wir anderen schritten an der Seite oder hinter dem Karren, Springer im Gewand einer Jungfrau, an der Taille gegürtet; dazu trug er eine Perücke, die mit Safran gelb gefärbt war. Straw schritt als Herr von Welt dahin, in einer weißen Halbmaske, einem Überwurf mit herabbaumelnden Ärmeln sowie einer spitzen Haube. Tobias ging als Menschheit, das Gesicht unbedeckt, in einer schlichten Hemdbluse und mit einer Mütze auf dem Kopf. Was

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