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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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echte Illusionen, so wie das vermeintliche Feuerspucken, mit dem er die Leute auf Dean’s Yard verblüfft hatte. Doch womit konnte er so hartgesottene Burschen wie Slit und Hooter bis ins Mark erschrecken, um ihnen zu entkommen?
    Gnadenlos trieben sie ihn durch das Seitenschiff. Er hinkte stark, weil die Messerwunde immer heftiger schmerzte. Seine Kräfte schwanden schneller, als er es je für möglich gehalten hätte. Der eben noch im Saft der Jugend stehende Arian Pratt war jetzt alt und – er blickte sich zu der glänzenden roten Spur um, die er hinter sich herzog – schwer verletzt. Es ist nur das Blut von Mister M., beruhigte er sich. Du holst dir deinen Körper zurück. Nur wie sollte er das anstellen?
    Er biss die Zähne zusammen und versuchte sich in eine Feuersäule zu verwandeln. Die dazugehörige Hitze konnte er leider nicht vortäuschen. Vielleicht genügte es trotzdem, um die Kerle zu verscheuchen.
    Sonst kostete es ihn nur ein Lächeln, Bilder aus seinen Gedanken in die Wirklichkeit zu versetzen. Jetzt überschwemmten Schmerzen seinen Geist. Vor Anstrengung verkniff er das Gesicht.
    Nichts geschah. Er brachte nicht einmal züngelnde Flämmchen zustande. Kaltes Entsetzen packte ihn. Er hatte zu lange gezögert. Seine Kraft war erschöpft.
    Die Stützpfeiler zur Rechten verschwammen vor seinen Augen. Im Kampf gegen die Ohnmacht verlor er die Orientierung. Unbarmherzig wurde er von seinen Peinigern weitergeschleift, über die Gräber der Mächtigen und Berühmten hinweg, die hier unter dicken Steinplatten lagen. Hatten sie ihn deshalb in die Wabbey gebracht? Weil die Kirche ein Haus der Toten war?
    Aus dem Nebel seines schmerzumwölkten Bewusstseins tauchte eine Tür auf. War das der Zugang zum Südwestturm? Sie öffnete sich und eine Gestalt mit schwarzem Gewand und weißem Kragen erschien darin. Arian war zu benommen, um sie klar zu erkennen.
    »Was ist mit dem Alten?«, fragte eine hohe Männerstimme. Ein Priester?
    »Ihm ist nur schlecht, Reverend«, antwortete Slit in vergnüglichem Ton. »Wir bringen ihn an die frische Luft. Da verfliegt seine Übelkeit wie nichts.«
    »Ist das da Blut auf dem Boden?«
    »Hier, die versprochene Spende, Vater. Vergesst bitte nicht unsere Abmachung«, überging Hooter die Frage und drückte dem Mann etwas in die Hand.
    »Jaja. Ich habe nichts gesehen, nichts gehört und nichts bemerkt«, schnarrte der Schwarzrock mürrisch und gab den Weg frei. Seine eiligen Schritte hallten durch das Kirchenschiff, während er sich entfernte.
    Die Halunken zerrten ihren Gefangenen in den Turm und schlossen hinter sich die Tür.
    »Jetzt geht’s ein Stück in den Himmel hinauf. So lohnt sich nachher wenigstens die Reise hinab in die Hölle«, scherzte Slit.
    Arian sank kraftlos in sich zusammen. Selbst wenn er gekonnt hätte, er wollte den Mordbuben nicht helfen. Um ihn vom Turm zu stürzen, mussten sie ihn erst einmal hinaufschleppen. Vielleicht käme er dabei wieder etwas zu Kräften.
    »Beweg gefälligst deine Füße oder ich schlitz dich gleich hier auf«, drohte Slit.
    Arian rührte sich nicht. Sein Kinn lag auf der Brust. Wie besinnungslos hing er im Griff der Killer.
    »Unser Befehl lautet aber, dass wir ihm Flügel machen sollen«, zischte Hooter.
    »Ich kann ihm ja welche schnitzen.«
    »Jetzt fass schon mit an, Slit. Sonst sage ich dem Boss, dass ich den Auftrag alleine erledigt habe, weil sein angeblich bester Mann sich nicht die Hände schmutzig machen wollte.«
    Der Schlitzer fluchte. Dann packte er wieder fester zu.
    Innerlich atmete Arian auf, äußerlich blieb er so schlaff wie ein Mehlsack. Gemeinsam schleiften ihn die beiden über unzählige Stufen immer weiter nach oben. Sie ächzten und schwitzten und stießen unentwegt neue Flüche aus. Slit drohte Mister M. mit höllischen Qualen, wenn er nicht endlich seine Beine gebrauchte. Arian stellte sich taub. Sich tragen zu lassen, tat gut. Allmählich kam er wieder zu Kräften. Für einen Kampf gegen die Gauner würde es nicht reichen, aber vielleicht konnte er sie überraschen.
    Geraume Zeit später hörte er das Quietschen einer Tür. Plötzlich pfiff ihm der Wind um die Nase. Die Mörder schleiften ihn ein Stück über das Turmdach und ließen ihn achtlos fallen. Noch immer rann das Blut aus seiner Wunde und bildete unter ihm eine Lache. Ihm war bitterkalt. Er sandte ein Stoßgebet gen Himmel, damit Gott ihm helfen möge, dem Tod zu entrinnen. Vorsichtig spähte er durch die Wimpern.
    An den vier Ecken des Daches

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