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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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das Dach eilte, wurde ihm der Irrwitz seiner Lage bewusst. Auch der Puppenspieler Mike war ja nicht echt, nur eine Maskerade. Aber das hatte ihn nie gestört. Er hatte geglaubt, mit dem Namen eines anderen endlich Frieden zu finden. Sogar jetzt sehnte er sich noch nach diesem geborgten Ich.
    Gedankenversunken schob er die Hand unter den Gehrock und verstaute das Messer hinten im Hosenbund. Als die Klinge in die verborgene Scheide glitt, stutzte er. Woher kam diese traumwandlerische Sicherheit bei einem für ihn ungewohnten Handgriff? War da etwas von Hooters Wesen auf ihn übergesprungen? Arian schauderte. Hoffentlich hatte nicht der mörderische Charakter des Walisers auf ihn abgefärbt.
    Als er die Brüstung erreichte, stützte er sich auf den Zinnen ab, beugte sich weit vor und spähte nach unten. Aus der Vogelperspektive hatte man eine atemberaubende Aussicht über das ganze Viertel, das früher eine Insel gewesen war. Die Bäume auf Dean’s Yard erschwerten ihm allerdings die Orientierung. »Wo bist du, Seelendieb?« , murmelte er.
    Auf dem Platz herrschte ein regelrechter Herdentrieb. Das Geschrei vom großen Westportal lockte die Schaulustigen an. Nur ein Knabe, so schien es, saß ruhig unter einem Ahornbaum und ließ sich von der Sensationsgier der Leute nicht anstecken.
    »Eibo!«, flüsterte Arian erleichtert. Wenigstens dich hat mir das Scheusal nicht gestohlen. Die Zweige verdeckten den Oberkörper der Puppe, doch die unbeschuhten Holzfüße, die aus den Pantalons ragten, waren unverwechselbar.
    Sein suchender Blick wanderte weiter, zum Rand des Blätterdachs, und dort entdeckte er den Seelendieb. Ohne Eile legte Mister M. das Balancierseil zu großen Schlaufen zusammen und sah dabei zum Turm hinauf. Ob er den tödlichen Sturz seines abgelegten Körpers beobachtet hatte?
    »Bist du zufrieden?«, knurrte Arian und schauderte. Er wurde aus seinen eigenen Augen angestarrt und hatte trotzdem das Gefühl, einem Dämon ins Angesicht zu sehen. Seine Haut begann zu jucken, und das Kribbeln, das von der düsteren Präsenz des anderen ausging, kehrte zurück. Offenbar verstärkte es sich, sobald man sich gegenseitig mit Blicken fixierte. Wer war dieser Mann?
    Mister M. schob den rechten Arm durch das zusammengelegte Seil und hängte es sich quer über die Brust. Was immer ihn dazu bewogen hatte, bis jetzt am Ort seiner schändlichen Tat auszuharren, nun machte er sich aus dem Staub. Mit langen Schritten lief er gegen den Strom der Schaulustigen auf den südlichen Ausgang des Platzes zu. Arian trat von den Zinnen zurück, um die Verfolgung aufzunehmen. Wenn er seinen Körper nicht endgültig verlieren wollte, dann musste er sich sputen …
    »Ich bring dich um.«
    Arian fuhr herum. Vor ihm stand der Schlitzer, das mörderische Messer drohend erhoben, und funkelte ihn zornig an.

    Hatte Slit ihn durchschaut? Wusste er, dass von Hooter nur noch die grobschlächtige Hülle übrig war? Möglich wäre es, dachte Arian, während er auf die blitzende Klinge vor seiner Nase starrte. Er besaß ja auch die Fähigkeit, Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen aufleuchten zu lassen – Arian war ein Prüfer . Schon als Dreikäsehoch hatte er seinen Ziehvater des Öfteren in eine leuchtende Aura gehüllt, weil Kord Puppen beseelen konnte. Hätte er diese Gabe doch nur bei Mister M. benutzt! Wahrscheinlich wäre der Seelendieb wie ein Hufeisen unter dem Hammer des Schmieds erglüht.
    »Erkennst du mich nicht? Ich bin’s. Der gute Onkel Hooter«, spielte Arian den amüsierten Halunken. Den walisischen Tonfall bekam er recht überzeugend hin. Seine Ungeduld vermochte er allerdings weniger gut zu verbergen. Er würde seinen Körper verlieren, wenn er den Dicken nicht schleunigst loswurde.
    »Wer du bist, ist mir egal«, zischte Slit. »Wichtig ist, was du tust. «
    »Ist dir das Hirn aus dem Ohr gerieselt, als du auf den Kopf gefallen bist? Wir zwei sind aus demselben Grund hier. Schon vergessen?«
    »Dachte ich auch. Aber dann hast du gesagt, dass du mich ausbooten willst.«
    »Was? Bei wem?«
    »Beim Boss. Du sagtest, du wirst den Froschfresser allein zur Hölle schicken, und wo ist er jetzt?«
    Arian deutete mit dem Daumen nach links und zwang sich zu einem Grinsen. »Der schmort wahrscheinlich längst …« Unvermittelt hielt er inne, als ihm aufging, dass der Auftraggeber von Slit und Hooter ihm vielleicht bei der Suche nach Mister M. helfen konnte. In seinem Lied hatte der Schlitzer den Namen Turtleneck erwähnt. Steckte

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