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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Stunde? Elisabeth gestattete sich einen Anflug von Gereiztheit in ihrer Stimme. «Um elf habe ich Fechten. Das weiß der Kaiser.»
    «Seine Majestät haben die Fechtstunde verschoben.»
    Die Fechtstunde verschoben? Wenn der Kaiser eigen mächtig ihre Fechtstunde verschoben hatte, musste es sich um etwas Dringendes handeln. Elisabeth schob das Handtuch, das von ihren Schultern zu gleiten drohte, um den Hals zusammen, wandte sich ab und trat ans Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel über der Stadt war immer noch schwer und schiefergrau, genauso trostlos wie der baumlose Innenhof, an dem ihre Suite lag. Ein paar Sekunden lang erwog sie, dem Kaiser eine Absage zu erteilen, doch dann siegte ihre weibliche Neugierde.
    «Schick die Wastl ins Ankleidezimmer», sagte Elisabeth, indem sie sich umdrehte. «Sie soll mir beim Anziehen helfen.»

    Von wegen dringend, dachte Elisabeth anderthalb Stunden später mit wachsender Verärgerung. Sie hatte sich, auch weil sie genau wusste, dass Franz Joseph es missbilligte, eine ihrer ägyptischen Zigaretten angezündet und musterte ihren kaiserlichen Gatten, der eine Teetasse in der Hand hielt, über die aufsteigende Rauchspirale hinweg. Der ausladende Backenbart des Kaisers wölbte sein Gesicht, und Elisabeth fand, dass er jedes Mal, wenn er die Tasse zum Mund führte, einem Hamster glich, der seinen Kopf in einen Wassernapf steckt.
    Franz Joseph hatte sich eine geschlagene halbe Stunde darüber ausgebreitet, welche Personen nach der feierlichen Messe im Markusdom in welcher Reihenfolge die Tribüne vor der Kirche betreten würden. Und wie wichtig es für ihn sei, dass sie an seiner Seite stand, wenn er die Huldigung des Volkes entgegennahm. Er hatte auch angedeutet, dass sie etwas Lehrreiches versäumen würde, wenn sie nicht anwesend wäre – vermutlich, dachte Elisabeth, meinte er damit die Huldigung des Volkes. Ob sie ihn darüber aufklä ren sollte, dass sich die Begeisterung der Venezianer für seine Person und für die kaiserliche Familie in Grenzen hielt?
    Elisabeth lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schluckte ihren Ärger hinunter. Über das Protokoll der feierlichen Messe in San Marco, Höhepunkt des kaiserlichen Besuchs in Venedig, hatten sie bereits lang und breit gesprochen.
    Eine dringende Mitteilung, die es gerechtfertigt hätte, ihre Fechtstunde zu verschieben, hatte der Kaiser ihr nicht gemacht.
    «Ist das alles, was du mir sagen wolltest?» Sie war erstaunt darüber, wie gelassen ihre Stimme klang.
    Franz Joseph setzte die Teetasse vorsichtig ab und sah sie aufmerksam an. «Da ist noch etwas.»
    «Und was?»
    «Erinnerst du dich an die Halskette, die die Gattin des französischen Botschafters auf dem letzten Hofball getragen hat? Die Halskette der Königin Hermelinda?»
    Mein Gott, was für eine Frage. Natürlich erinnerte sie sich daran. Die goldene Halskette aus Medaillons, auf denen die Profile römischer Kaiserinnen zu sehen waren. Angeblich stammte die Kette aus der gleichen Werkstatt, in der auch die legendäre Eiserne Krone entstanden war, ein Goldreif, der einen Nagel vom Kreuz Christi enthielt. Elisabeth, die sich normalerweise nicht viel aus Schmuck machte, hatte beim Anblick der Kette einen regelrechten Anfall von Besitzgier erlitten.
    «Ja, sicher», sagte sie, irritiert über diese Wendung des Gesprächs. «Was ist mit der Halskette?»
    «Die Kette stand in Paris zum Verkauf.»
    «Dann ist sie jetzt vermutlich im Besitz von Kaiserin Eugénie», sagte Elisabeth. Eine wahrhaft grauenhafte Vorstel lung, bei der ihr fast schlecht wurde. Sie schloss die Augen und ließ sich in ihren Sessel zurücksinken.
    Der Kaiser lächelte. «Das wäre sie, wenn ihr nicht jemand zuvorgekommen wäre.»
    «Jemand, den wir kennen?»
    «Graf Auersperg.»
    Elisabeth seufzte. «Schön für die Gräfin. Wir werden also das Vergnügen haben, die Halskette gelegentlich zu sehen.»
    «Auersperg hat die Kette nicht in seiner Eigenschaft als Ehegatte erworben», sagte Franz Joseph.
    «Sondern?»
    «Er hat in meinem Auftrag gehandelt.»
    Einen Moment lang war Elisabeth davon überzeugt, dass sie sich verhört hatte. Sie richtete sich so schnell in ihrem Sessel auf, dass ein wenig Asche von ihrer Zigarette auf den Fußboden fiel. «Du hast die Halskette gekauft?»
    Franz Joseph nickte lächelnd.
    «Und wo ist sie?»
    «Dort, wo du sie zum ersten Mal tragen wirst», sagte Franz Joseph feierlich.
    «Ich verstehe nicht, was du meinst, Joschi.» Wie bitte?
    Hatte sie

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