Die Matlock-Affäre
auszusteigen.«
»Herrgott noch mal!« Matlock rutschte von der Theke und warf das Papier Greenberg hin. »Mag sein, daß ich nichts von den Gesetzen verstehe, wohl aber von der Sprache. Sie reden in Widersprüchen!«
»Nur äußerlich scheint das so ... Lassen Sie mich eine Frage stellen. Angenommen, Sie fahren fort, den Geheimagenten zu spielen. Ist es vorstellbar, daß Sie vielleicht um Hilfe bitten würden? In einem Notfall vielleicht?«
»Natürlich. Das ist sogar unvermeidbar.«
»Sie bekommen keine irgendwie geartete Hilfe, solange dieser Brief nicht unterschrieben nach Washington geht ... Sehen Sie nicht mich an! Ich werde in ein paar Tagen abgelöst. Ich bin schon viel zu lange in dieser Gegend.«
»Ziemliche Heuchelei, nicht wahr? Die einzige Möglichkeit für mich, irgendwelche Unterstützung - irgendwelchen Schutz - zu bekommen, besteht darin, eine Erklärung zu unterzeichnen, die sagt, daß ich diese Unterstützung nicht brauchen werde.«
»Das reicht aus, um mich in eine Privatpraxis zu treiben ... Heutzutage gibt es einen neuen Begriff für diese Geschichten. Man nennt das >Fortschritt ohne Risiko<. Man setzt ein, was -und wen - man kann. Nimmt aber die Schuld nicht auf sich, wenn ein Aktionsplan schiefgeht. Man ist nicht verantwortlich.«
»Und wenn ich nicht unterschreibe, dann arbeite ich ohne Netz.«
»Sage ich ja. Lassen Sie sich raten - gratis -, ich bin ein guter Anwalt. Steigen Sie aus. Vergessen Sie das Ganze. Aber vergessen Sie es wirklich.«
»Und ich habe Ihnen gesagt, daß ich das nicht kann.«
Greenberg griff nach seinem Glas und sagte mit leiser Stimme: »Gleichgültig, was Sie tun, es wird Ihren Bruder nicht mehr lebendig machen.«
»Das weiß ich.« Matlock spürte, daß der andere ihn am Nerv getroffen hatte, antwortete aber mit fester Stimme:
»Sie könnten vielleicht andere jüngere Brüder retten, aber wahrscheinlich werden Sie das nicht. Jedenfalls kann man jemand anderen aus berufsmäßigen Kreisen rekrutieren. Mir fällt es verdammt schwer, das zuzugeben, aber Kressel hatte recht. Und wenn wir diese Konferenz - diese Sitzung von Händlern in ein paar Wochen - nicht bekommen, werden andere kommen.«
»Ich gebe Ihnen in allen Punkten recht.«
»Warum zögern Sie dann? Steigen Sie aus.«
»Warum? ... Ich habe Ihnen meine kleine Geschichte noch nicht erzählt, das ist der Grund. Erinnern Sie sich? Sie hatten den Vortritt, aber ich kommen auch noch dran.«
»Dann erzählen Sie.«
Und Matlock erzählte. Alles, was er über Lucas Herron wußte - die Legende, alles, was den >großen alten Vogel< in Carlyle betraf. Das schreckerfüllte Skelett, das in seinen Wald geflohen war. Das Jammern und das eine Wort: »Nimrod.« Greenberg hörte zu, und je länger Matlock sprach, desto trauriger wurden Jason Greenbergs Augen. Als Matlock schließlich endete, trank der Bundesbeamte den letzten Schluck seines Tom Collins und nickte langsam.
»Sie haben ihm alles dargelegt, nicht wahr? Sie konnten nicht zu mir kommen, zu ihm mußten Sie gehen. Ihr CampusHeiliger mit einem Eimer voll Blut in den Händen ... Loring hatte recht. Ausgerechnet einen Amateur mit Gewissen mußten wir erwischen ... Amateure vor uns und Amateure hinter uns. Aber eines muß ich Ihnen lassen. Sie haben ein Gewissen. Das ist mehr, als ich für die hintere Flanke behaupten könnte.«
»Was sollte ich tun?«
»Unterschreiben Sie diesen Stinktopf hier.« Greenberg nahm den Brief des Justizministeriums und reichte ihn Matlock. »Sie werden Hilfe brauchen.«
Patricia Ballantyne ging vor Matlock zu dem kleinen Tisch an der Seite des Speisesaals im Cheshire Cat. Die Fahrt zu dem Lokal war etwas gespannt gewesen. Das Mädchen hatte die ganze Zeit - leise, aber mit beißender Schärfe - darauf eingehämmert, daß Matlock mit der Regierung im allgemeinen und dem FBI im speziellen zusammenarbeitete. Sie behauptete, dies sei ihrerseits keine programmierte liberale Reaktion; es gäbe einfach zu viel überwältigende Beweise, daß solche Organisationen das Land bis an den Rand eines Polizeistaats gebracht hätten.
Sie wußte das aus erster Hand. Sie selbst hatte die jammervollen Folgen eines FBI-Manövers erlebt und wußte, daß es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelte.
Matlock hielt ihr den Stuhl, als sie sich setzte, und strich ihr dabei über die Schultern. Berührte sie, beruhigte sie, linderte den Schmerz, den er ihr nachempfinden konnte. Der Tisch war klein und stand neben einem Fenster, nur wenige
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