Die Maurin
als nötig bleibe ich in diesem Drecknest«, knurrte Jaime. »Mein Bruder kann vorn mit mir auf dem Kutschbock sitzen und sich wie ich als Händler ausgeben, und Ihr könnt Euch mit Eurem maurischen Flittchen hinten auf der Ladefläche niederlassen. Wenn die Stadtwachen fragen, wo Ihr hinwollt, kann sie ihnen erklären, ich nähme Euch zu Verwandten mit.«
Jaimes rüde Ausdrucksweise empörte Zahra, aber noch tiefer traf sie die Erkenntnis, dass Hayat, wenn es nach seinem Willen ging, schon in wenigen Minuten weggehen würde. Bisher hatte sie den Gedanken an Hayats Flucht immer weit von sich geschoben, und noch mehr das Problem, wie sie Tamu und Zainab und vor allem später ihrem Vater deren Verschwinden erklären sollte. Sie blickte zu Hayat, woraufhin die sich von Miguels Seite löste und sie umarmte, als wüsste sie genau, was in diesem Moment in ihr vorging.
»Mir ist es auch lieber, wir bringen es gleich hinter uns«, sagte sie leise. »Die Wartezeit würde es nur noch schwerer für uns machen.«
Zahra bekam einen Kloß in den Hals. Ihr Blick ging zu Gonzalo, der sie jetzt ebenfalls ansah. Wärme und Zuneigung sprachen aus seinen Augen, und wider alle Vernunft hoffte Zahra, dass er sie nun doch fragen würde, ob sie mitkommen wolle, aber stattdessen senkte er den Blick. Zahra schluckte und drückte ihre Lippen durch den Schleier hindurch auf Mahdis Köpfchen. Was denkst du dir denn auch?, schimpfte sie innerlich. Schließlich weißt du, dass er eine Frau hat. Und was war schon zwischen uns? Nichts. Nichts!
Gonzalo räusperte sich. »Lass uns gehen, Miguel«, brummte er und reichte ihm einen Burnus.
Zahra verspürte den Wunsch davonzulaufen. Aber sie ahnte, dass Hayat dies auf sich bezogen und es ihr das Herz schwergemacht hätte. Also biss sie die Zähne zusammen und blieb, wo sie war.
Kurz darauf waren Miguel und Gonzalo bereit.
»Seltsames Gefühl, so viel Stoff um sich zu haben«, meinte Miguel und strich über seinen weiten Burnus. »Aber nicht unangenehm.«
Er verabschiedete sich mit einem festen Händedruck bei Zahra. »Ich weiß, dass ich tief in Eurer Schuld stehe!«
Auch Gonzalo reichte Zahra die Hand. Zahra brachte es nicht über sich, ihn anzusehen, noch, seinen Händedruck zu erwidern. Es war, als hätte sie Angst, seine Hand nicht wieder loslassen zu können. Sie starrte zu Boden und musste schlucken, immer wieder schlucken.
»Danke, danke für alles«, hörte sie Gonzalo sagen. »Ich hoffe, wir sehen uns eines Tages unter günstigeren Umständen wieder, und ich kann dann auch einmal etwas für Euch tun!«
Als Zahra nichts erwiderte, strich er ihr über den Arm und nickte Jaime zu. »Lasst uns aufbrechen!«
Jaime spähte auf die Straße. »Im Moment ist keine Maus zu sehen, aber ob jemand hinter diesen verdammten Holzgitterfenstern der Nachbarhäuser steht und hinausschaut, wissen nur die Götter. Kommt, wagen wir es. Immerhin ist es die Zeit der Siesta.«
Gonzalo stützte sich auf seine Krücken und humpelte hinaus. Jaime half ihm, auf den Kutschbock zu steigen, und ging dabei weit zartfühlender mit ihm um, als Zahra ihm zugetraut hätte. In der Zwischenzeit machte es sich Miguel auf der Ladefläche bequem und winkte Hayat, dass auch sie nun aus dem Haus kommen solle.
Hayat umarmte Zahra und den kleinen Mahdi. Schwere Tränen lösten sich aus ihren Augen und benetzten ihren Schleier. »Ich schreibe dir, Zahra, und ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen werden!«
Zahra konnte nichts erwidern. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie drückte Hayat an sich, dann machte sie eine Geste, um ihr zu bedeuten, dass sie gehen solle. Hayat drückte sie noch einmal an sich, lief hinaus zum Wagen, ergriff Miguels Hand und ließ sich von ihm auf die Ladefläche helfen. Kaum saß sie, zog Jaime den Pferden die Peitsche über die Rücken. Der Wagen fuhr los. Zahra hob die Hand zum Abschied und sah, wie ihre Halbschwester schluchzend in Miguels Arm sank. Auch sie konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten. Kurz bevor die Kutsche um die erste Straßenbiegung verschwand, sah Zahra, dass sich Gonzalo und Jaime beinahe gleichzeitig noch einmal zu ihr umwandten.
12.
Loja
8 . August 1482
Z ainab, bitte, jetzt lass dir doch erst einmal erklären, warum Hayat weggehen musste«, flehte Zahra, aber ihre Schwester fiel ihr sofort wieder ins Wort: »Wieso sollte ich ausgerechnet dir zuhören? Hinter ihrem Fortgehen steckt doch mit Sicherheit ein Mann, und wenn du das unterstützt, bist du nicht
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