Die Maurin
als ihn ins Haus zu lassen. Raschid jedoch wies ihn an, seinen Bruder hereinzubitten und noch ein Gedeck aufzulegen.
Obwohl Yazid ganz ruhig vor sie trat und nichts Aggressives oder Herausforderndes in seinem Blick lag, wich Zahra zurück. Yazid dankte seinem Halbbruder und ihnen allen für die Aufnahme und blickte dann zu Zahra, deren Blick sich auf ihm festgebrannt hatte. »Zahra, ich …« Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Ich kann mir denken, was in dir vorgeht. Es gibt genug, was du mir vorzuwerfen hast und sicher nie vergessen wirst, aber ich bereue zutiefst, was ich getan habe, und möchte dich und euch alle bitten, mir noch eine Chance zu geben.«
Seine Direktheit entwaffnete Zahra, und sie fragte sich, ob sich Yazid in der Tat besonnen haben könnte. »Ich nehme an, du weißt, dass der Mann an meiner Seite Kastilier ist«, erwiderte sie mit herausforderndem Blick.
Yazid nickte. »Und ich weiß auch, dass ihr nicht verheiratet seid.« Er sah zu Jaime. »Ich hoffe, dass meine Halbgeschwister mich in dieser Familie ebenso willkommen heißen wie dich, selbst wenn ich es weit weniger verdient haben mag.«
Zahra meinte, Aufrichtigkeit in seinem Blick zu sehen, blieb aber misstrauisch, auch wenn sie später, als sie allein mit Raschid in seinem Arbeitszimmer war, zugeben musste, dass auch sie Yazid verändert fand. »Aber ich kann trotzdem nicht glauben, dass er vom Bösen zum Guten geworden ist.«
»Yazid glaubte, das Richtige zu tun, das Richtige für al-Andalus …«
»Eine große Portion Eifersucht dürfte bei so mancher seiner Handlungen aber auch mit im Spiel gewesen sein«, konterte Zahra.
Raschid gab ihr recht. »Vater ist jetzt tot, und wir müssen lernen, zu vergessen und zu vergeben, wenn wir uns nicht ständig weiter durch Einzelkämpfe in den eigenen Reihen zerfleischen wollen.« Er machte eine Pause. »Übrigens hat Yazid mir erzählt, er habe Vater am Tag vor seiner Hinrichtung noch einmal im Kerker besucht.«
»Musste er ihm seinen Triumph auch noch persönlich mitteilen?«, empörte sich Zahra.
Raschid strich ihr begütigend über den Arm. »Das habe ich zuerst auch gedacht, aber Yazid hat mir versichert, dass er alles versucht hat, um Vaters Leben zu retten. Er ist zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, wie sehr er bedauerte, nichts für ihn erreicht zu haben.«
»Aber er hatte ihn doch selbst gefangen genommen! Und wieso hat er az-Zagal noch nach Vaters Tod die Treue gehalten?«
»Das will ich dir gern erklären«, ertönte da hinter ihnen Yazids Stimme. »Mit der Gefangennahme wollte ich Vater daran hindern, weiter gegen az-Zagal zu agieren, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass az-Zagal an ihm ein Exempel statuieren würde. Nach Vaters Tod war ich nahe daran, mich von az-Zagal loszusagen, aber andererseits wollte ich auch unser Land weiter gegen die Christen verteidigen, und damals erschien er mir trotz allem der richtige Mann dafür zu sein.«
»Lauschen ist also noch immer deine Stärke«, zischte Zahra ihn feindselig an.
»Ich wollte gerade zu Raschid. Hätte ich lauschen wollen, wäre ich im Verborgenen geblieben«, erwiderte er ruhig.
Zahra sah ihn an, und auch wenn ihr Halbbruder ihrem Blick standhielt, nagten doch weiter Zweifel an ihr.
Zum Erstaunen der Mauren führten die Christen, nachdem sie ihre Zeltstadt aufgebaut hatten, keinen Angriff auf Granada aus. »Was haben die vor, zum Teufel?«, knurrte Yazid.
Im Gegensatz zu seinem Halbbruder, der mit drei anderen Beratern Boabdil in dessen Arbeitszimmer ruhig gegenübersaß, lief er angespannt auf und ab und sah immer wieder hinaus auf diese gigantische Ansammlung von Soldaten. »Meinen sie, uns so zermürben zu können?«
»Ich denke, schon«, erwiderte Boabdil. »Einer unserer Spitzel hat herausgefunden, dass Fernando seinen Soldaten ausdrücklich verboten hat, sich auf Gemetzel einzulassen. Übrigens ist gestern auch Isabel angekommen, mitsamt ihren Kindern und dem gesamten Hofstaat. Die Christen scheinen sich also auf längere Zeit einrichten zu wollen – und sich verdammt sicher fühlen.«
»Eine Belagerung also«, seufzte Raschid.
»Und wie lange können wir ihr standhalten?«, fragte Yazid.
»Kein halbes Jahr, es sei denn, wir rationieren unsere Vorräte schon jetzt. Dann hätten wir vielleicht für sieben, acht oder auch neun Monate genug Essen«, mutmaßte Raschid. »Wegen der Zerstörung der Vega haben wir unsere Lager kaum auffüllen können.«
»Aber ihr werdet doch nicht dasitzen
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