Die Maurin
dorthin. Deborahs Eltern sind schon vor zwei Jahren nach Lissabon gezogen.« Er blickte zu seiner Frau. »Auch wir werden nach Portugal gehen und Zainab und Mahdi mitnehmen. Fürs Erste können wir gewiss alle bei Deborahs Eltern unterkommen.«
»Und wann wird die Übergabe stattfinden?«, fragte Jaime.
»Am zweiten Januar«, erwiderte Raschid. Hernach sagte lange niemand mehr ein Wort.
Zwei Wochen später waren die Sulamis, Jaime und die Diener mit den wenigen Pferden, die sie von Boabdil zurückerhalten hatten, zur Abreise bereit. Auf zwei Wagen hatten sie das Allernötigste aufgeladen, ihr Haus und ihr Land schweren Herzens und überdies zu einem schlechten Preis an einen Christen verkauft; kaufwillige Mauren gab es keine – nur verkaufende: Allzu viele wollten nicht unter den neuen Herren leben, sondern zogen die Ungewissheit in der Ferne einem Leben als christliche Untertanen vor, zumal ihnen vor Torquemada und seinen Schergen graute. Sie fürchteten, nach den Juden und den
conversos
die Nächsten zu sein, die in seinen Kerkern verschwinden und auf seinen Scheiterhaufen brennen würden.
Zahra sah zu, wie ihr Bruder die Tür ihres Elternhauses hinter sich zuzog – des Hauses, in dem sie und ihre Geschwister geboren worden waren –, und kämpfte gegen die Tränen. Jetzt hatten sie auch noch ihr letztes Zuhause verloren …
Jaime trat zu ihr und zog sie an sich. »Wir werden uns ein neues, besseres Leben aufbauen«, versprach er ihr. »Vertrau mir!« Er nickte ihr zuversichtlich zu.
Zahra presste die Lippen zusammen und erwiderte sein Nicken. »Ja, Jaime, das werden wir,
inschallah,
so Gott will.«
Jaime nahm ihre Söhne an die Hand, Zahra fasste nach Chalida, und als sie den Blick ihrer Tochter sah, musste sie wieder daran denken, was Tamu ihr am Tage ihrer Rückkehr über das Kind gesagt hatte. Der Kampf um Granada war verloren, ihr Land in fremden Händen, aber das Leben würde weitergehen. Sie küsste ihre Tochter auf die Stirn und hoffte, dass der Allmächtige seine schützende Hand über sie und ihre Familie halten würde. Dann blickte sie zu Jaime und lächelte.
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Epilog
A m zweiten Januar 1492 übergab Boabdil Isabel von Kastilien und Fernando von Aragón die Schlüssel seiner Stadt. Mit der Eroberung Granadas durch das Königspaar fiel nach beinahe achthundert Jahren auch noch die letzte maurische Bastion auf der Iberischen Halbinsel in ihre Hände.
Seinen Sohn sah Boabdil nie wieder – er weigerte sich, zu seinen Eltern zurückzukehren –, seine Frau Morayma starb wenige Monate nach der Übergabe der Stadt. Boabdil verließ Granada durch die Puerta de Justicia, das Tor der Gerechtigkeit, und bat die christlichen Könige, dass niemand mehr dieses Tor benutzen solle, durch das er die Stadt verlassen hatte. Fernando gewährte ihm seine Bitte und ließ das Tor zumauern.
In einer Entfernung von zwei Meilen bog Boabdils Geleitzug Richtung Alpujarras ein, wo sie eine Anhöhe ersteigen mussten, die ihnen einen letzten Blick auf Granada gewährte. Oben angekommen, ließ Boabdil den Zug anhalten, um seine geliebte Stadt ein letztes Mal zu betrachten.
»Allahu akbar«,
rief er, »Gott ist groß«, und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Aischa soll daraufhin voller Bitterkeit gerufen haben:
»Jetzt beweinst du wie ein Weib, was wie ein Mann zu verteidigen du nicht vermocht hast!«
Bis 1494 lebte Boabdil auf den ihm von den Kastiliern in den Alpujarras zugewiesenen Gütern im Tal Porchena und zog dann mit seiner Mutter nach Fès. Aischa starb dort wenig später, während Boabdil unter Sultan Muley Ahmed III . noch etwa dreißig Jahre lebte. Um 1533 , also mehr als vierzig Jahre nach der Übergabe Granadas, kam er bei der Verteidigung des fremden Bodens ums Leben.
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Nachbemerkung
F ür die historisch Interessierten sei vermerkt, dass alle politischen Ereignisse sowie die Aussagen über das Leben und Handeln der historischen Personen mit wenigen Ausnahmen als verbürgt angesehen werden können. Dies war mir neben der fiktiven Geschichte von Zahra und ihrer Familie ein besonderes Anliegen. Zu diesen wenigen Ausnahmen gehört Yazids Plan, die christliche Königin als Geisel zu nehmen, was aber angesichts der verzweifelten Lage der Mauren sicher den Versuch wert gewesen wäre. Gonzalo hat übrigens tatsächlich den Dispens seiner Ehe angestrengt und sich damit in der Tat den Unwillen Isabels zugezogen – allerdings war hierfür nicht Zahra der Grund.
Leider ist
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