Die Mausefalle
Haustür. Was um Himmels willen – «.
»Schnell, steh auf«, sagte Molly, »guck nach.«
Giles warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, wickelte sich in den Morgenmantel und ging die Treppe hinunter. Molly konnte hören, wie der Türriegel zurückgeschoben und in der Eingangshalle gemurmelt wurde. Neugierig kroch sie aus dem Bett und ging am Treppenabsatz auf Spähposten. Unten im Flur half Giles einem bärtigen Fremden aus dem schneebedeckten Mantel. Gesprächsfetzen drangen nach oben.
»Brrr.« Das kam herausgeplatzt und klang ausländisch. »Meine Finger sind so kalt, ich kann sie nicht mehr fühlen. Und meine Füße…« Dann war ein Trampeln zu hören.
»Gehen Sie hier rein!« Giles riss die Tür zur Bibliothek auf. »Da ist es warm. Am besten, Sie warten hier, bis ich ein Zimmer fertig gemacht habe.«
»Ich habe wirklich Glück«, sagte der Fremde höflich.
Molly spähte weiter neugierig durch das Treppengeländer. Was sie sah, war ein älterer Mann mit einem schmalen schwarzen Bart und mephistophelischen Augenbrauen. Ein Mann mit einem jugendlichen, flotten Gang, ganz im Gegensatz zu seinen ergrauten Schläfen.
Giles zog die Bibliothekstür zu und hastete die Treppe hinauf. Molly kam aus der Hocke hoch. »Wer ist das denn?«, fragte sie.
Giles grinste. »Noch ein Gast fürs Gästehaus. Wagen in einer Schneewehe umgekippt. Er ist rausgekrabbelt und hat sich mit letzter Kraft auf die Socken gemacht – der Sturm heult immer noch, hör mal –, die Straße lang, und da hat er unser Schild gesehen. Er sagt, das war wie die Erhörung eines Gebets.«
»Du meinst, er ist – in Ordnung?«
»Liebling, das ist bestimmt keine Nacht, in der ein Einbrecher auf Tour geht.«
»Er ist ein Ausländer, nicht?«
»Ja. Paravicini heißt er. Ich habe seine Brieftasche gesehen – er hat sie mir, glaube ich, extra gezeigt –, die ist prallvoll mit Scheinen. Welches Zimmer geben wir ihm denn?«
»Das grüne. Das ist frisch geputzt und fertig. Nur das Bett müssen wir schnell noch beziehen.«
»Und ich muss ihm wohl einen Schlafanzug von mir leihen. Seine ganzen Sachen sind im Wagen. Er sagt, er musste aus dem Seitenfenster klettern.«
Molly holte Bettzeug und Handtücher.
Während sie eilig das Bett bezogen, bemerkte Giles: »Das kommt richtig dicht runter. Bald sind wir eingeschneit, Molly, völlig abgeschnitten. Irgendwie ganz schön spannend, was?«
»Ich weiß nicht«, sagte Molly skeptisch. »Meinst du, ich könnte s o da-bread machen, Giles?«
»Na klar, kannst du das. Du kannst alles«, antwortete er, ganz getreuer Gatte.
»Ich habe aber noch nie Brot selber gemacht. Brot ist etwas, das hat man einfach. Ob frisch oder altbacken, das bringt eben der Bäcker. Aber wenn wir hier einschneien, dann kommt kein Bäcker.«
»Auch kein Metzger und kein Briefträger. Keine Zeitung. Wahrscheinlich geht nicht mal mehr das Telefon.«
»Nur noch das Radio, das uns sagt, was wir machen sollen?«
»Unsern eigenen Strom haben wir jedenfalls.«
»Du musst den Generator morgen wieder anstellen. Und wir müssen die Heizung am Laufen halten.«
»Koks wird ja jetzt wohl auch erst mal nicht geliefert. Viel haben wir nicht mehr.«
»Oh verflixt, Giles. Ich habe das Gefühl, die nächste Zeit wird einfach furchtbar. Los, lauf und hol diesen Paradingsbums oder wie der heißt. Ich gehe wieder ins Bett.«
Der Morgen brachte die Bestätigung für Giles’ Prophezeiung. Der Schnee lag anderthalb Meter hoch und drückte gegen Türen und Fenster. Und draußen schneite es weiter. Die ganze Welt war weiß und still und – auf subtile Weise – bedrohlich.
2
Mrs Boyle saß beim Frühstück. Niemand sonst war im Esszimmer. Major Metcalfs Gedeck auf dem Nachbartisch war bereits abgeräumt. Mr Wrens Tisch war noch eingedeckt. Der eine vermutlich Frühaufsteher, der andere Langschläfer. Mrs Boyle persönlich kannte nur einen einzigen richtigen Zeitpunkt für das Frühstück, und das war neun Uhr.
Mrs Boyle hatte das vorzügliche Omelett aufgegessen und zermalmte jetzt Toast mit ihrem kräftigen weißen Gebiss. Sie war missgelaunt und unschlüssig. Monkswell Manor entsprach so gar nicht ihrer Erwartung. Sie hatte auf eine Bridgerunde spekuliert, ein paar verwelkte alte Jungfern, bei denen sie mit ihrer gesellschaftlichen Position und ihren Beziehungen hätte Eindruck schinden und Andeutungen bezüglich ihrer so bedeutsamen wie geheimen kriegswichtigen Tätigkeiten hätte fallen lassen können.
Das Ende des Krieges hatte
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