Die Maya-Midgard-Mission
wieder. Nie, nie, niiie!" Die Tränen erstickten ihre Stimme.
Nach einer Weile, als der erste Tränenfluss versiegte, ergriff Ms. M. Darias Hände und streichelte sie sanft und schweigend.
"Ja, ich bin wütend. Die ganze verdammte Welt hat sich gegen mich verschworen", sagte Daria mit krächzender Stimme. "Jeder Mann und jede Frau will verhindern, dass ich diese verfluchten Bücher finde. Mein Mann, der Schuft, verreckt ist er, nachdem er mich jahrelang betrogen hat, nur damit er sich nicht mit mir auseinandersetzen muss. Mein Partner, Tony Larkins, zweifelt an den Ergebnissen meiner Forschung, weil er meine Methoden missbilligt und guckt sich klammheimlich nach neuen Projekten um. Ich weiß es! Mein Geldgeber will mir den Hahn zudrehen, weil er den Nutzen der Bücher bezweifelt, scheut sich aber nicht, mich erst anzumachen und sich dann davonzustehlen. Stirbt einfach so weg, kurz bevor ich ihm Beweise liefern kann. Der Nächste, der mein Herz berührt, entpuppt sich als Bräutigam einer Institution, gegen die ich nicht ankommen kann, weil ich nun einmal nicht göttlich bin. Ich bin die Versuchung, mit der er seine Scheinheiligkeit kaschieren will. Nun, vielleicht bilde ich mir das alles auch nur ein. Verdammt! Von außen nagt die Welt an mir – und von innen verzehre ich mich selbst. Ja, ich habe Krebs. Nein, ich mache keine Chemo. Ich mache gar nichts. Ich will nur die Bücher. Jetzt muss ich mich auch noch von einer alten, längst gescheiterten Schachtel mit zweifelhafter Herkunft und einer Schriftstellermacke unterdrücken und therapieren lassen. Ich will nichts, als diese Bücher. Wann begreift ihr alle das endlich? Ich muss sie haben. Ich weiß, dass sie uns die Frage der Fragen beantworten. Ich weiß, dass sie die Ausrufezeichen hinter jeder verdammten esoterischen Botschaft dieser und aller anderen Welten sind. Ich weiß es, weil ich sie kenne. Ich habe sie schon einmal gelesen. Es ist, als hätte ich sie geschrieben. Ich weiß es, weil ich es spüre, weil ich es fühle, weil ich es glaube, weil ich... Ach, verdammt, ja, ich glaube! Aber wie soll ich Ihnen oder irgendeinem anderen Ignoranten erklären, dass Glauben so viel stärker als Wissen sein kann. Ich kenne die Bücher, weil ich sie immer schon kannte, weil ich ein Teil ihrer Essenz bin, weil... Ich komme mir ja oft genug wie eine Schwindlerin vor, weil ich glaube, ohne zu wissen. Ich erzähle den Leuten, dass diese Bücher sie retten werden. Ich mache ihnen Mut, ich tröste sie. Und alles nur, weil ich glaube, dass die Sechste Sonne uns lehrt, den Weltuntergang zu vermeiden – Quatsch –, ihn zu überwinden. Nein, verdammt, ich weiß es nicht. Kein lebender Mensch weiß, was diese gottverfluchten Bücher eigentlich sind. Alles andere ist erstunken und erlogen. Vielleicht sind sie nicht einmal Bücher, sondern nichts als ein Ideal, ein Traum, ein verflixtes Hirngespinst. Aber wenn sie das wären, ein Gespenst des Verstandes, eine flüchtige Erscheinung der Einbildung, hätten sie dann solch sicht- und spürbare Spuren hinterlassen. Eben weil sie ein Traum, ein Symbol, ein Ideal bilden, eben deshalb sind sie eine Erscheinungsform der Gefühle. Und die erfasse ich weniger mit dem Verstand als mit der Intuition – und mit meinem Glauben. Und genau deshalb ist mein Glauben an ihre Bedeutung viel überzeugender als alles Wissen. Und außerdem trug die Mumie des Wikingers, der mir den Weg nach Aurora wies, meinen verdammten Verlobungsring." Das Tempo von Darias Redefluss schien ihre Verzweiflung ein wenig einzudämmen. Die Tränen trockneten langsam. Aber der Zorn hatte noch nicht kapituliert. "Ich wollte ein ernstzunehmender Wissenschaftler sein. Ich wollte Anerkennung. Ja, ich gebe es zu, ich wollte der Albert Einstein der Archäologie werden; der Thomas Alva Edison des Sechsten Lichts. Stattdessen bin ich zu einem Orakel verkommen. Ich ich... Verstehen Sie eigentlich einen Furz von dem, was ich..."
" Kindchen, ach Kindchen, wir sind nicht gescheitert."
" Noch nicht", stimmte Daria zu, schniefte und dachte an ihre eigene Diagnose. "Aber die Zeit wird knapp. Keine Ahnung, weshalb. Vielleicht kommt das Wasser zurück und reißt uns alle hinaus ins Meer, vielleicht gibt es ein Erdbeben, oder die Welt ist wahrhaftig zum Teufel gegangen. Genau kann ich es nicht sagen. Manchmal fühle ich mich wie ein Sandkorn in einer Sanduhr. Ich werde mit meinen Leidensgenossen, den anderen Sandkörnern, von der Schwerkraft durch das Nadelöhr gesaugt, immer und immer
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