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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Vielleicht wollten sie uns warnen. Vielleicht sind die Bücher der Sechsten Sonne eine Art Überlebenshandbuch. Im ganz praktischen Sinne. Gar nicht religiös oder soziokulturell motiviert. Ich meine, Maya heißt zwar Illusion, es bedeutet aber auch Täuschung. Vielleicht sind wir es, die sich über die wahre Bedeutung der Bücher haben täuschen lassen – genauso wie Kolumbus und Napoleon und all die anderen Glücksritter."
    " Hoho, Liebes, das hört sich für meine alten Lauschlappen aber ziemlich unwissenschaftlich an."
    " Stimmt!", gab Daria Delfonte zu. "Und in jedem Fall brauche ich die Bücher. Nur die Bibel der Maya kann unsere Spekulation in Wissen verwandeln."
    " Wahre Worte", kicherte Ms. M., "sehr richtig und sehr lobenswert, Kindchen. Du willst dich also bereichern, wie wir alle das wollen. Aber ist es nicht ein bisschen spät, um im Angesicht der Abenddämmerung das Tageslicht zu beleuchten?"
    " Das glaube ich nicht, Norma Jean. Ich weigere mich, das zu akzeptieren. Und Sie glauben es auch nicht. Ich merke doch, wie Sie mit mir spielen, Mylady!"
    " Dein Optimismus in Ehren, Kindchen. Aber die Erde dreht sich um die Sonne, weil die Sonne das will. Dein oder mein Glaube bewegt da gar nichts. Nicht wir bestimmen den Lauf der Zeit. Schau mich an!"
    Die letzten Worte bellte sie Daria entgegen und riss sich mit einem heftigen Ruck die Baskenmütze vom Kopf. Dabei enthüllte sie einen kahlen Schädel, dessen alabasterne Haut von einem Geflecht bla uschwarzer Adern von der Dicke ausgewachsener Regenwürmer marmoriert wurde. "Das ist, wonach es aussieht, Kindchen, keine Panik. Krebs ist nichts Besonderes. Ich lebe immer noch. Schon seit 50 Jahren. Mein zweites Leben. Mein erstes ist schon lange vorbei. Weißt du, man kann immer überleben. Immer wieder. Krankheiten, Unfälle, Depressionen. Einfach alles. Vielleicht sogar den Weltuntergang."
    Daria spürte, wie es tief in ihr begann zu brodeln. Die alte Hexe hatte einen Stein in den richtigen Tümpel geworfen. Und nun warf er We llen. Und diese Wellen kreuzten sich und brachen sich und schaukelten sich gegenseitig auf. Aus der ruhigen Oberfläche des Tümpels Gelassenheit wurde ein Kessel mit kochender Wut. Wie ein Geysir brach die Wut aus ihm hervor, bahnte sich den Weg durch Halden aus enttäuschten Hoffnungen, aus Verzweiflung, aus Angst und Schmerz und schrie: "Scheiße!"
    " Scheiße!", schrie sie laut und wunderte sich in ihrem inneren Sturmzentrum – als kauere eine beobachtende, ruhige Daria ganz klein, ganz innen in der zornigen Außenpersönlichkeit – über die Gewalt ihres Ausbruchs. "Scheiße, gottverdammte elende Kacke!" Mit einer sichelartigen Bewegung fegte sie Norma Jeans Bilder vom Piano. "Ihre scheiß künstliche Welt, dieses erbärmlich spießige Wohnzimmer, was soll das darstellen. Ein Museum. Ist es das? Sind sie ein Exponat in ihrem eigenen Beweihräucherungsmuseum. Oh nein, mir machen Sie nichts vor, das ist kein Museum hier, das ist ein Mausoleum. Ein gottverdammtes Grab. Und Sie sind eine gottverdammte Leiche. Die Würmer haben es nur längst aufgegeben, an dem vertrockneten Stück Fleisch zu nagen. So verdorrt, dass selbst der Krebs kapituliert..."
    " Einmal tief Luft holen, Kindchen. Die Wut muss raus, ich kann mich noch gut an meine Inselgeburt erinnern. Das ging auch nicht ohne Wehen ab, das kann ich dir sagen. Also, Carl hat sich nach Ultimo verzogen und sich monatelang nicht mehr blicken lassen. Meine ganze Hollywood-Ausstattung ist zu Bruch gegangen. Nicht bloß ein paar Bilder. Die ganze beschissene Staffage meines ersten Lebens. Also, sei wütend. Aber benutze deine Wut, um mir zu antworten, Kindchen. Warum? Was willst du? Du allein, wenn du mir das..."
    " Ich bin nicht wütend, verdammt. Ich bin, ich bin...", Daria begann zu weinen. Ihre Tränen flossen, als gälte es die versiegte See um die Auroren wieder aufzufüllen. Je mehr sie versuchte, sich zu beherrschen, umso heftiger musste sie weinen und umso greller blitzte der Zorn durch ihre Stimmungen. Sie riss den tönernen Wasserkrug an sich und schlug ihn auf die Seitenlehne des Kanapees. "Ich bin wütend", presste sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. "Ich bin wütend, verdammt wütend, ich bin eine Furie, jaaa...", schrie sie und schleuderte den Krug gegen die Wand. Tonscherben fielen wie winzige Messer zu Boden, Wasser floss an der Holztäfelung hinab, dunkel und feucht und schimmernd wie Blut. "Ich will mich nicht länger beherrschen. Vergiss es, nie

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