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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Köpfe von einem halben Dutzend schlafender Straßenkinder mit Hilfe seiner Maschinenpistole zum Platzen bringt, als seien sie blutgefüllte Luftballons, lernt er schlagartig, Jekyll von Hyde zu unterscheiden und schließlich beide zu beherrschen. Er wartet, bis der Killer das Magazin seiner MP wechseln muss und tötet ihn mit einem einzigen Messerstich in den Hals.
    Hyde hatte Jekyll den kontrollierten Ausbruch gestattet. Und Jekyll erlaubte Hyde die unverzügliche Rückkehr ins bürgerliche Leben. Selbstzucht und Zügellosigkeit in dosierter Mixtur ergaben ein explos ives Erfolgsrezept. Damit war der Weg frei für Carlos Ybarra Caldera, die Welt zu erobern, das Erbe seiner Conquistadores-Ahnen anzutreten.
    Der Spross a us gutbürgerlichem Elternhaus – sein Vater war Militärrichter, seine Mutter Ärztin – verließ San Jaime und die dunklen Urwälder Kolumbiens, um im fernen England Volkswirtschaft, Kunstgeschichte und Jura zu studieren und die lichten Höhen akademischer Bildung zu erklimmen. In England begannen auch die Träume; jene Nachtmahre, die der junge Carlos zusehends als Visionen seiner schöpferischen Kräfte begriff. Nach fünf Jahren kehrte er mit einem Magister und der Erkenntnis zurück, dass die soziale Marktwirtschaft die wahre Wiege der Menschheit sei und Carlos Caldera zu mehr tauge, als zum planlosen Killer.
    Auf Kolumbien übertragen konnte das für den studierten Carlos nur eine drastische Steigerung des Außenhandels bedeuten. Aber der Jun gakademiker hatte keine staatliche Karriere im Sinn. Carlos glaubte an die innovative Kraft der Privatinitiative. Schnell hatte er Kolumbiens erfolgreichsten Exportartikel ausgemacht: Kokain. Und noch schneller revolutionierte er Herstellung, Transport und Absatz dieses kolumbianischen Markenartikels. Mit 25 Jahren wurde er nicht nur der jüngste, sondern auch der beliebteste und mit Abstand der erfolgreichste Drogenbaron des Landes. Er sorgte dafür, dass alle am Geschäft mit dem weißen Pulver Beteiligten fürstlich entlohnt wurden. Er schuf ein Sozialsystem für seine Campesinos mit den Segnungen der Kranken- und Altersversorgung. Er tüftelte daran, dass die Transportwege nach Europa und in die Vereinigten Staaten ungefährlich für die Kuriere wurden. Er setzte ausschließlich Schiffe und kleinere Boote ein. Die Ware wurde in Metallhülsen verpackt und von Tauchern aus Calderas Truppe mit Haftmagneten an den Rümpfen der Seefahrzeuge befestigt. (In ihren Bäuchen beförderten die Schiffe ganz legal Kaffee für amerikanische und europäische Röster. An denselben Berghängen, an denen die Kokapflanze wuchs, gediehen auch Kaffeesträucher prächtig, was Caldera eine willkommene Tarnung als Unternehmer verschaffte.) Beim geringsten Anzeichen von Gefahr sorgte ein Funksignal dafür, dass die Ware im Meer versenkt wurde. Sollte wider Erwarten doch einmal ein Schiff als Prise verloren gehen, oder die Mannschaft gefangen gesetzt werden, so bemühte sich ein Heer der besten Anwälte um ihre Freilassung oder zumindest um milde Haftstrafen. Für die Dauer der Haft kümmerte El Padre sich um die Familien der Inhaftierten.
    Doch nicht nur für Anbau- und Transportmethoden hatte Caldera Sorge getragen; sein besonderes Augenmerk galt der Weiterverarbe itung des Rohstoffes Koka . Die gängige Praxis, die Kokablätter in gutgetarnten Kokainküchen im kolumbianischen Dschungel mit Hilfe von Natriumkarbonat und Schwefelsäure zu Guarapo , einer Art Paste zu verarbeiten, die dann mit Kaliumpermanganat oder Ammoniak zum fast schon reinen Kokain, der Base , vermischt und schließlich zusammen mit Äther zum kristallinen Rauschgift verkocht wurde, schien Caldera zu umständlich – zu gefährlich aufgrund der Explosionsgefahr – und zu unbequem für seine Leute. Denn Calderas Kokainköche mussten sich nicht nur monatelang in unwegsamen Bergwäldern vor der Konkurrenz und noch nicht bestochenen oder besonders geldgierigen Drogenfahndern verstecken; außerdem plagten sie sich mit Mosquitos, Schlangen, Giftkäfern und Würmern herum. Ganz zu schweigen von den Jaguaren, Pumas, Kaimanen und Anakondas. Es war die reine Hölle. Aber Calderas Lösung bereitete seinen Köchen den Himmel: Er gründete einfach mehrere Universitäten, vornehmlich in kleinen Provinzstädten mit überschaubarer Infrastruktur, Hochschulen über das ganze Land verteilt, naturwissenschaftliche Institute allesamt, Lehranstalten für Chemie, Physik und Mathematik. Er holte willige Straßenkinder mit

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