Die Maya-Midgard-Mission
schwerverdauliche Fabulierkuchen. Dabei hätten sie ihn nur fragen müssen. Das galt auch für die kunstbeflissenen Britannierinnen zu seinen Füßen.
Caldera räkelte sich gelangweilt auf der Stele, griff sich zwischen die Beine und kramte und wartete. Darauf, endlich die Fruchtbarkeits-Symbolik seiner Skulpturen zu erklären. Er spürte, dass in diesen ve rklemmt zischelnden Inseleuropäerinnen verborgene Abgründe lauerten, in denen ein Mann seines Kalibers vielleicht sogar die erotische Bestie finden würde, deren Jagd er mit Leidenschaft frönte. Sein geziertes Gehabe auf der Stele schien ihnen allerdings noch nicht in gewünschtem Maße die Zunge zu lösen.
Caldera glaubte zu wissen, wie Frauen denken. Er wusste, wie sie r eden. Er wusste alles über die Menschen. Er hatte sie studiert – seit frühester Jugend. Als seine Mitschüler sich noch mit ihrer Akne, dem ersten Apple , Hare Krishna oder den Pilzköpfen von Pop-Bands beschäftigten, hatte er schon mit beinahe pathologischer Gründlichkeit menschliche Verhaltensweisen seziert. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm anhand der Gestik, der Mimik und der Sprache eines Menschen, dessen Verhalten vorherzusagen. Besonders leicht war das bei den meisten Männern, die zu oft Opfer der von ihnen selbst propagierten Rollenklischees wurden. Caldera arbeitete bewusst mit Klischees; deshalb auch sein schwarzes Äußeres. Er benutzte sie als Lockmittel, als Schutzschild; oder er spielte mit ihnen wie ein Jongleur – je nach Intention. Doch diesmal hatte er das Spiel überreizt.
Die Damen machten einen Bogen um ihn und seine übrigen Skulpt uren. Die Penis-Keramik schien zu abgedroschen, um zu provozieren; zu aufdringlich, um Neugier zu erregen. Vielleicht hatte Caldera die Britinnen falsch eingeschätzt. Vielleicht aber witterten die Sensiblen unter ihnen in der Aura der Keramik noch Spuren ihres Inhalts. Manchmal hinterließ der Tod seine Spuren selbst am verführerischsten Image. Frauen spürten das. Weibliche Verhaltensweisen, so gestand sich der selbsternannte Meister der Menschenkenntnis in schwachen Momenten ein, ließen sich schwieriger in Schablonen pressen als die Riten ihrer maskulinen Pendants. Obwohl sich im Ringen um die sogenannte Emanzipation nach Calderas Geschmack viel zu viele Frauen konform zu ihren männlichen Archetypen verhielten.
Überall und zu jeder Zeit suchte Caldera die Herausforderung, eine Frau mit ihrem ursprünglichen Selbstwert zu finden und dank richtiger Einschätzung zu verführen. Dass er sich auf diese Weise selbst zu einem Chargen im Rollenspiel des allzeit bereiten Mannes degradierte, hätte ihm nur eine liebende Frau begreiflich machen können. Bisher war ihm keine b egegnet.
Die Sommersprossige strich gerade mit ihren Fingerkuppen über die Penis-Keramik. "Ja, du Weib, spürst du die Kraft? Jetzt bist du in meinem Bann. Und ich lasse dich nie mehr los", schickte Caldera seine Gedanken zu ihr hinunter, ohne sich allzu große Hoffnung zu machen, dass sie telepathische Fähigkeiten hatte. Er kannte einige Frauen, die über solche Kräfte verfügten. Allerdings, ohne davon zu wissen. Und es wurden immer weniger. Manchmal schien es Caldera, als sei die Erde eine riesige Rührschüssel und die Menschheit nur noch eine grauwabernde Teigmasse – weich- und gleichgeknetet vom Quirl westlicher Lebensart –, und nicht mehr dieser bunte Haufen der schillerndsten Individuen, die eher eine Explosion denn die Evolution hervorgebracht zu haben schienen. Konsumdiktat und Medienbrei waren die Schlagworte, die er in diesem Zusammenhang leidenschaftlich mit seinem Volkswirtschafts-Professor in Oxford diskutiert hatte. Das war lange her, und Caldera war nicht mehr der idealistische Student mit den besonderen Talenten.
" Die Bilderflut der Flimmerkiste hat uns verdorben", zischte Caldera und erhob sich von seinem Steinbaum auf der Empore. "Und Lady Gagas öffentlich zelebrierte Grenzenlosigkeit nicht weniger."
Die En gländerinnen hörten auf zu fispeln, und blickten dem Meister gebannt entgegen.
" Wir gehen ins Chino zum Dinner, stopfen uns voll mit Heuschrecke Sezuan und debattieren noch vor der Nachspeise über Strauss-Kahns Lustknaben, tote Taliban, Shakiras Oralpraktiken und den neuesten Stand der Pickelplage an Britneys Hintern. Sterben, Sex und Clearasil? Wir können das Unwichtige nicht mehr vom Wesentlichen unterscheiden. Alles hat den gleichen faden Geschmack. Warum wollen so wenige das Abenteuerliche kosten? Die Würze des
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