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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Handlung zustande bringen sollen, dann mussten die einzelnen Glieder trainiert sein. Und manchmal führte der Arm eben etwas anderes aus, als der Kopf wollte. Das hieß nicht, dass er versuchen durfte, das Haupt vom Rumpf zu trennen. Offenen Widerstand innerhalb der eigenen Familie konnte El Padre niemals dulden.
    Als die Konkurrenz zum Sturm blies, und das Familienunternehmen in Turbulenzen geriet, hatte er sich wie ein Vater auf die Loyalität aller Mitglieder verlassen müssen. Und können. Nur JET hatte eine No tlandung auf dem Boden der Durango-Clique versucht, war aus dem Verband ausgeschert – und abgeschmiert. Carlos Caldera dachte an den letzten Augenblick im kurzen Leben seines Londoner Arms. El Padre hatte sich bis in den Tod hinein als großzügig erwiesen, indem er James Endicott Tiburon Brown, dem abtrünnigen Sohn, die Freiheit der Wahl überließ. Doch mit Winseln und Betteln hatte der sich auch dieser Chance beraubt. Und so hätte das letzte Abheben von JET würdiger verlaufen können. Kurz genug war es ohnehin: Der Durango-Tower war nur einhundertachtzig Meter hoch. Siebzehn Meter kürzer als das Caldera-Building . James Endicott Tiburon Brown hatte in der Wahl seines neuen Padres die nötige Weitsicht vermissen lassen; deshalb musste Durango einen toten Stiefsohn beklagen, Caldera einen amputierten Arm und die trauernden Hinterbliebenen einen verlorenen Vater und Ehemann.
    Doch für den Unterhalt der Familie würde El Padre – wie immer in solch traurigen Fällen – persönlich gerade stehen. Seine Kindeskinder ließ er nie im Stich. Vergehen und Entstehen. Nein, Carlos Caldera wusste das Angenehme mit dem Notwendigen zu verbinden; deshalb hatte er am Morgen die Beerdigung auf dem Durango-Tower eigenhändig geleitet und eine anstrengende Nachtschicht nachgeschoben; deshalb brauchten Mrs. Tiburon und die kleinen Brownies sich keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen; und deshalb ließ er sich nun wie ein seltenes Tier auf seiner eigenen Ausstellung bewundern. Vergehen und Entstehen.
    Hin und wieder traute man sich, ihm, dem Künstler, einen verstohl enen Blick zuzuwerfen. Seine Steinbäume und die anderen Skulpturen fanden eher nebensächliches Interesse. Nur die Penis-Glyphe, die eigentlich eine Keramik war, erregte klammheimliches Aufsehen. Das war seine Absicht gewesen. Deshalb hatte er sie in die Mitte der Ausstellungshalle platziert. Die übrigen Skulpturen waren sicher mehr als nur Beiwerk, aber selbst die wildesten Fratzen seiner Fantasiegötter erregten nicht annähernd die Gemüter der Betrachter, wie ein überdimensioniertes Geschlechtsteil das vermochte. Gezielte Provokationen liebte Caldera wie mexikanischen Kaffee mit Kognak und einem Schuss Cayenne-Pfeffer.
    Sein Publikum dankte es ihm. Die Gedanken der prüden Britinnen verliehen ihren teigigen Gesichtern eine zinn oberrote Tönung, die Caldera an die sagenhafte Haarfarbe von Elisabeth I. erinnerte. Die Fantasie, die Fantasie! Sie war seit jeher seine bezauberndste Geliebte gewesen. Hätten die Damen geahnt, wie der Kern der Phallus-Keramik beschaffen war, sie hätten den Farben, wie sie sonst nur in einschlägigen Underground-Comics zu bewundern waren, Konkurrenz gemacht.
    Ob die Damen ihm ihr taubenhaftes Gurren nur vorgauke lten oder nicht, die brennenden Fragen waren ihnen auf die Stirn geschrieben: "Wer mag dem Künstler wohl Modell gestanden haben? Den will ich haben." Oder: "Stell dir vor, mit seinen eigenen Händen hat er dieses Riesenglied von Penis geformt. Oh, Gwynnis-Schätzchen, mit seinen eigenen Händen... Und diese seltsamen Zeichen auf dem Ding, was die wohl zu bedeuten haben?"
    Ein vorwitziges Vögelchen schien noch mehr Fragen zu haben als Sommersprossen im Gesicht. Ihr feuerrotes Haar brannte lichterloh wie die Neugier in ihren Augen. Ihre selbstbewusste Erscheinung passte nicht so recht zur Stimmung des Publikums. Vielleicht war sie die angekündigte Schnepfe von der Times . Wurde auch Zeit, dass die Meinungsbäcker mal auf eine andere Art Notiz von ihm nahmen. Ewig die gleichen Brötchen vom Drogenbaron mit dem Sozio-Tick zu backen, das musste auf Dauer selbst den durch nackter-Nazi-Afghanistan-Party-Piloten-Prinz Harry verwöhnten britischen Zeitungslesern zu fade schmecken. Zumal die meisten Stories erstunken und erlogen waren. Wenn die Meinungsbäcker keine Teiglinge auftrieben, aus denen sie Informationen kneten konnten – und sie fanden keine, dafür hatte El Padre gesorgt –, dann buken sie eben

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