Die Mayfair-Hexen
Expertin auf dem Gebiet der Edel- und Halbedelsteine war. Opale. Seine Augen hatten einen opalisierenden Glanz – das hatte sie schon ein paarmal gedacht. Seine Hose war weit geschnitten wie eine Pyjamahose, aber auch das entsprach der Mode. Er hatte einen Fuß achtlos auf den Rand des Ledersessels, seines Ledersessels, hochgezogen. Am rechten Handgelenk trug er ein dünnes goldenes Armband ohne erkennbaren Zweck, einen feinen Metallstreifen, der glitzerte und aufreizend sexuell auf sie wirkte, auch wenn sie nicht hätte sagen können, warum.
Er hob die Hand und fuhr sich damit durch das dunkle Haar; der kleine Finger pflügte sich durch die weiße Strähne, als wollte er sie nicht vergessen, nicht vernachlässigen, sondern sie zu all den ändern dunklen Wellen dazunehmen. Sein Gesicht wurde dabei in ihren Augen wieder lebendig; es lag nur an dieser kleinen Bewegung und an der Art, wie seine Augen die Kabine überflogen und auf ihr verharrten.
Sie selbst hatte kaum bemerkt, was für ein Kleidungsstück sie da hastig aus ihrem Koffer gezogen hatte – etwas Rotes, Weiches, Lockeres und Kurzes, das kaum ihre Knie berührte. Michael hatte ihr die Perlen um den Hals gelegt, eine kleine, adrette Kette. Das hatte sie überrascht. Sie war so benommen gewesen.
Jetzt flogen sie über die Arktis. Sie schloß die Augen und öffnete sie wieder. Die Kabine schimmerte.
»Ich würde diesem Kind Mona niemals etwas antun«, sagte Ash plötzlich und erschreckte sie damit; sofort war sie hellwach. Er beobachtete Michael mit ruhigem Blick.
Michael zog ein letztes Mal an seinem Zigarettenstummel und drückte ihn dann in dem großen Glasaschenbecher aus, zerquetschte ihn zu einem ekligen, kleinen Wurm. Seine Finger sahen groß und stark aus, von schwarzem Haar überhaucht.
»Das weiß ich«, sagte Michael. »Aber ich verstehe noch immer nicht alles. Wie sollte ich auch? Yuri war so verängstigt.«
»Das ist meine Schuld. Dummheit. Darum müssen wir miteinander reden, wir drei. Und es gibt noch andere Gründe.«
»Aber warum wollen Sie uns vertrauen?« fragte Michael. »Warum sich mit uns anfreunden? Sie sind ein vielbeschäftigter Mann und offensichtlich so etwas wie ein Milliardär.«
»Ah, gut, dann haben wir auch das gemeinsam, nicht wahr?« sagte Ash mit ernster Miene.
Rowan lächelte.
Es war eine faszinierende Kontraststudie, der Mann mit der tiefen Stimme, den blitzblauen Augen und den dunklen, beinahe buschigen Brauen und dieser große, so betörend schlanke Mann, dessen anmutige Bewegungen des Handgelenks schwindelerregend sein konnten. Zwei exquisite Formen von Männlichkeit, in perfekte Proportionen und intensive Persönlichkeiten gegossen. Beide Männer schienen – wie große Männer so oft – in machtvollem Selbstvertrauen und innerer Ruhe zu schwelgen.
Rowan schaute zur Decke. In ihrer Erschöpfung sah sie die Dinge verzerrt. Ihre Augen waren trocken, und sie würde bald schlafen müssen, aber jetzt konnte sie es nicht. Nicht jetzt.
Ash sprach wieder.
»Sie haben eine Geschichte zu erzählen, die niemand außer mir hören kann«, sagte er. »Ich will sie hören. Und ich habe eine Geschichte, die ich nur Ihnen erzählen werde. Oder wollen Sie mein Vertrauen nicht? Wollen Sie meine Freundschaft nicht – oder, vielleicht, sogar meine Liebe?«
Michael überlegte. »Doch, ich glaube, ich will das alles, wenn Sie schon mal fragen.« Er zuckte die Achseln und lachte leise. »Wenn Sie schon mal fragen.«
»Erwischt«, sagte Ash leise.
Michael lachte wieder; es war nur ein leises Grollen. »Aber Sie wissen, daß ich Lasher getötet habe, nicht wahr? Das hat Yuri Ihnen erzählt. Nehmen Sie mir das übel, daß ich einen der Ihren getötet habe?«
»Er war nicht einer der Meinen.« Ash lächelte freundlich. Das Licht schimmerte auf der weißen Strähne, die an seiner linken Schläfe begann. Ein Mann von vielleicht dreißig Jahren mit eleganten grauen Haarsträhnen. Eine Art Wunderknabe der Geschäftswelt – so mußte er auf andere gewirkt haben: vorzeitig reich, vorzeitig grau. Jahrhunderte alt, unendlich geduldig.
Stolz stieg plötzlich in ihr auf wie eine kleine, warme Woge, weil sie Gordon getötet hatte. Nicht ihn.
Sie hatte es getan. Zum ersten Mal in ihrem ganzen traurigen Leben hatte es ihr gefallen, diese Kraft zu benutzen, einen Mann mit ihrem Willen zum Tode zu verurteilen, das Gewebe in ihm zu zerreißen, und sie hatte bestätigt gefunden, was sie schon vermutet hatte: Wenn sie es wirklich wollte, wenn
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