Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
wolle er sagen: Ich verstehe.
    »Mit Lasher zu sprechen«, sagte Ash, »über seine Erinnerungen zu sprechen, das hätte mir vielleicht erheblich zu denken gegeben. Aber nein, Loyalität hätte ich für ihn nicht empfunden. Eines haben Christen und Römer nie glauben können: daß ein Mord ein Mord ist, ob es ein Mord an Menschen ist oder ein Mord an einem von uns. Aber ich glaube das. Ich lebe schon zu lange, um noch dem törichten Glauben nachzuhängen, Menschen seien unseres Mitleids nicht würdig, weil sie ›anders‹ sind. Wir sind alle miteinander verbunden; alles hängt mit allem zusammen . Wie und warum, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es ist wahr. Lasher hat gemordet, um sein Ziel zu erreichen, und wenn dieses kleine Übel für alle Zeit ausgelöscht werden konnte, nur dieses eine…« Er hob die Schultern, und sein Lächeln kehrte zurück, ein wenig bitter vielleicht, oder auch nur süß und traurig. »Ich habe immer gedacht, mir vorgestellt, geträumt, wenn wir doch noch einmal wiederkämen, wenn wir noch einmal eine Chance auf dem Angesicht der Erde bekämen, dann könnten wir dieses eine Verbrechen vielleicht tilgen.«
    Michael lächelte. »Aber das denken Sie jetzt nicht mehr.«
    »Nein. Aber es gibt gute Gründe, nicht an solche Möglichkeiten zu denken. Das werden Sie verstehen, wenn wir in meinen Räumen in New York zusammensitzen und miteinander reden.«
    »Ich habe Lasher gehaßt«, sagte Michael. »Er war bösartig, und er hatte bösartige Gewohnheiten. Er hat über uns gelacht. Außerdem habe ich geglaubt, auch andere wollten, daß ich ihn umbringe, Lebende wie Tote. Glauben Sie an Vorherbestimmung?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was soll das heißen, Sie wissen es nicht?«
    »Vor Jahrhunderten wurde mir gesagt, mir sei vorherbestimmt, der einzige Überlebende meines Volkes zu werden. Und so ist es auch gekommen. Aber bedeutet das denn, daß es mir wirklich vorherbestimmt war? Ich war listig; ich habe Winter und Schlachten und unsagbares Leid überlebt. Bestimmung oder Überlebenskunst? Ich weiß es nicht. Aber wie dem auch sei, diese Kreatur war Ihr Feind. Warum brauchen Sie jetzt Vergebung von mir für das, was Sie getan haben?«
    »Das ist eigentlich nicht seine Sorge«, sagte Rowan. Sie sprach, bevor Michael antworten konnte. Sie saß zusammengerollt in ihrem Sessel und hatte den Kopf seitwärts an die Lehne sinken lassen. Sie hatte beide mühelos im Blick, und beide schauten sie an. »Das glaube ich zumindest nicht.«
    Michael unterbrach sie nicht.
    »Seine Sorge ist etwas, das ich getan habe«, sagte sie. »Etwas, das er selbst nicht tun konnte.«
    Ash wartete genau wie Michael.
    »Ich habe noch einen Taltos getötet, einen weiblichen«, sagte Rowan.
    »Einen weiblichen?« wiederholte Ash leise. »Einen echten weiblichen Taltos?«
    »Ja. Meine Tochter von Lasher. Ich habe sie getötet. Ich habe sie erschossen. Ich habe es getan, als ich erkannt hatte, was sie war und wer sie war, und daß sie da war, bei mir. Ich habe sie getötet. Ich habe sie ebenso gefürchtet wie ihn.«
    Ash wirkte fasziniert, aber keineswegs beunruhigt.
    »Ich fürchtete, daß ein männlicher und ein weiblicher Taltos sich paaren könnten«, sagte Rowan. »Ich fürchtete die grausamen Prophezeiungen, die er abgegeben hatte, und die dunkle Zukunft, die er beschrieben hatte. Ich fürchtete, irgendwo da draußen unter den übrigen Mayfairs könnte er einen männlichen Nachkommen gezeugt haben, und der könnte sie finden, und sie könnten sich vermehren. Das wäre sein Sieg gewesen. Trotz allem, was ich gelitten hatte und was Michael gelitten hatte und all die anderen Mayfair-Hexen von Anfang an, für diese… für diese Paarung, für den Triumph des Taltos.«
    Ash nickte.
    »Meine Tochter war in Liebe zu mir gekommen«, sagte Rowan.
    »Ja«, flüsterte Ash. Er brannte offenbar darauf, ihr weiter zuzuhören.
    »Ich habe meine eigene Tochter erschossen«, sagte sie. »Ich habe mein eigenes schutzloses und einsames Kind erschossen. Dabei hatte sie mich geheilt; sie war mit ihrer Milch zu mir gekommen und hatte sie mir gegeben und mich vom Trauma ihrer Geburt geheilt.
    Das ist es, was mich bedrückt und was Michael bedrückt; daß Sie es wissen könnten, daß Sie es erfahren könnten, daß Sie, der Sie uns nah sein möchten, entsetzt sein könnten, wenn sie herausfinden, daß eine Frau für Sie da sein könnte, wenn ich ihr Leben nicht beendet hätte.«
    Ash hatte sich vorgebeugt und die Ellbogen auf die Knie gestützt;

Weitere Kostenlose Bücher