Die McKettricks aus Texas: Über alle Grenzen (German Edition)
erklärte sie.
„Wann?“, wollte Calvin wissen und hörte sich ein bisschen leidend an. Der arme Junge ist müde, dachte sie. Außerdem vermisste er seine Mutter, die so stark bei den Proben der Theater-AG eingespannt war.
„Morgen“, versicherte Paige ihm. Sie bog vorsichtig in die Hauptstraße ein und lenkte den Wagen Richtung Silver Spur Ranch.
„Versprochen?“, drängte Calvin sie.
„Versprochen“, erwiderte Paige lächelnd.
Danach hellte sich seine Laune sofort auf. Nachdem er seinen Missmut über die langen Arbeitstage seiner Mutter kundgetan hatte, berichtete er Paige von seinem Tag im Kindergarten. Eines der Kinder aus seiner Gruppe hatte einen Käfer gegessen und sich anschließend übergeben. Nach diesem Ereignis bekam die Lehrerin Kopfschmerzen und musste sich hinlegen. Eine Bibliotheksassistentin vertrat sie im Kunstunterricht. Dann fragte Calvin wie so oft, wie oft er noch schlafen müsse, bis er endlich in die erste Klasse käme und „richtige“ Sachen lerne.
„Du lernst die ganze Zeit richtige Sachen“, versicherte Paige ihm, den Blick auf die Straße gerichtet.
„Ja, wie man blöde Topflappen macht“, maulte er.
„Ich finde diese Topflappen sehr schön. Meinen benutze ich ständig. Und deine Mom und Tante Libby sind auch ganz begeistert.“
Aber Calvin wollte sich nicht besänftigen lassen. „Wir malen mit Fingerfarben“, fuhr er verächtlich fort. „Ich kapiere nicht, wie irgendwas davon mich auf das Leben vorbereiten soll.“
„Calvin, du bist erst fünf“, erinnerte Paige ihn. „Glaub mir, du hast noch jede Menge Zeit, dich aufs Leben vorzubereiten.“ Dann fragte sie: „Was willst du denn eigentlich jetzt schon unbedingt lernen?“
„Wie man reitet“, lautete die prompte Antwort.
„Du reitest doch ständig mit Garrett. Was sonst noch?“
„Höhere Mathematik und Weltgeschichte.“
„Oh, ich fürchte, in der ersten Klasse wird hauptsächlich das Alphabet und einfaches Rechnen durchgenommen“, erklärte sie ihm und setzte den Blinker, bevor sie zur Ranch abbog.
„Das ist albern“, beschwerte Calvin sich. „Ich kann schon lesen und schreiben und das alles.“
„Dann solltest du vielleicht direkt vom Kindergarten aufs College gehen“, neckte sie ihn. Das Licht im Stall brannte, und sie fragte sich unwillkürlich, wie es Molly wohl ging.
„Ich könnte ein paar Klassen überspringen“, schlug Calvin ernsthaft vor. „Aber Mom und Garrett wollen das nicht. Sie meinen, ich brauche meine Kindheit genau wie alle anderen.“
„Da hast du’s. Und die beiden irren sich bestimmt nicht.“
Paige spürte die Veränderung, die mit Calvin vorging, noch bevor er etwas sagte. „Was ist denn im Stall los? Die Arbeit müsste doch längst erledigt sein“, fragte er neugierig.
„Lass es uns herausfinden.“ Sie hielt in dem Lichtquadrat vor dem Eingang der langen großzügigen Unterkunft für die McKettrick-Pferde. Hier waren auch die goldbraunen Ponys untergebracht, die Austin Audrey und Ava zu ihrem sechsten Geburtstag im Juni geschenkt hatte.
Calvin hatte sich bereits abgeschnallt und die Tür geöffnet, als Paige den Schlüssel aus der Zündung zog. Eigentlich wollte sie ihm wenigstens kurz schildern, was mit Molly passiert war, aber die Gelegenheit bekam sie nicht mehr. Calvin rannte schon zum Stall.
Paige folgte ihm.
Austin stand vor Mollys Box und sah wundervoll zerzaust aus. In der Mitte des Stallgangs stand ein Feldbett, und darauf ausgebreitet lag ein Schlafsack. Unter dem Feldbett hatte Shep sich zusammengerollt.
„Willst du hier draußen schlafen?“, fragte Calvin begeistert. „Zeltest du etwa im Stall?“
Austin warf Paige einen Blick zu und begrüßte sie mit einem kaum merklichen Nicken. „Das hatte ich vor“, antwortete er dem Jungen und wuschelte ihm durch die Haare.
Calvin war schwer beeindruckt. Er kletterte auf die Streben in der Boxentür, um hineinzuspähen. Austin hielt sich bereit, falls er abrutschen sollte.
„Das ist Molly“, erklärte er. „Molly, darf ich dir meinen guten Freund Calvin vorstellen?“
Paige fragte sich, warum Austins Stimme ihr Herzklopfen verursachte.
„Hallo, Molly“, rief Calvin viel zu laut.
Inzwischen stand Paige bei ihm, legte den Arm um ihn undhob ihn hoch, damit er nicht länger auf der Boxentür herumklettern musste.
Dabei berührte ihr Arm den von Austin. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zur Seite.
Molly war gestriegelt worden. Und sie stand auf den Beinen. Am Kopf des Tiers sah
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