Die Medica von Bologna / Roman
Luft käme neben dem Feuer und dem Wasser eine entscheidende Bedeutung bei der Herstellung des Theriaks zu. Die Erde jedoch sei von allen vier Elementen das Wichtigste, da in ihr die Vipern heranreiften, ohne die ein Theriak nicht denkbar sei.
Mittlerweile war das Schlangenfleisch ausreichend lange im Kessel verblieben, und Gaspare nahm es mit einer hölzernen Zange heraus. Er legte das blass verfärbte Tier auf einen großen, ausgedienten Mühlstein, damit seine
Studiosi
gut verfolgen konnten, wie er das Fleisch ohne jegliche Rückstände vom Skelett trennte. Als das geschehen war, erhob er seine Stimme: »Ich habe hier einen Mörser, in dem ich das Herausgelöste zerkleinere. Danach füge ich gut gekochtes Brot hinzu. Das Brot muss aus dem reinsten und frischesten Mehl gebacken und gut fermentiert sein. Hat jemand dazu Fragen?«
Gaspare schaute seine jungen Herren erwartungsvoll an, aber niemand ergriff das Wort. »Nun gut, weiß jemand, wie viel Brot genommen werden soll? Ihr könnt es nicht wissen, liebe
Studiosi,
denn selbst die Gelehrten streiten darüber. Einige geben eine Menge dazu, die der des Fleisches entspricht, andere nehmen etwas weniger, wieder andere nur ein Drittel. Galen, der von uns so hochgeschätzte alte Meisterarzt, fügte manchmal nur ein Viertel oder sogar nur ein Fünftel hinzu, je nachdem, welche Menge er als ausreichend ansah. Genau diese Brotmenge, nämlich nur ein Fünftel, nimmt man seit alters in Bologna, wie mir Messer Luca Ghino, mein verehrungswürdiger Lehrer, einmal versicherte. Crito wiederum, ein griechischer Arzt, der in Rom wirkte, nahm, wie Galen anmerkt, nur eine Unze Brot für das Fleisch von zehn Vipern.
Doch genug der Zahlen, zurück zum Brot und seiner Beschaffenheit. Es muss ebenfalls sehr sorgfältig gekocht und danach getrocknet werden, weil sonst der Theriak zu sauer geraten könnte. Ich habe hier ein paar solch vorbehandelter Stücke.«
Gaspare hielt sie hoch, aber ich konnte an ihnen nichts Besonderes erkennen. »Das Brot darf auf keinen Fall zusammen mit dem Fleisch zerkleinert werden, deshalb machen wir dies gesondert.« Er nahm eine kleine Reibe, stellte mit ihrer Hilfe eine mittlere Menge pulverförmiges Brotmehl her und vermischte es mit dem zerkleinerten Fleisch. »Wenn alles innig verquickt ist, liebe
Studiosi,
nehmen wir die Paste und machen daraus die sogenannte
compressa,
also eine Art kleine Tablette.«
Er deutete auf mehrere flache Förmchen und forderte mich auf, die helle Masse dort vorsichtig hineinzustreichen. Ich tat es mit einem kleinen Spatel, und als ich fertig war, dozierte er weiter: »Die
compressa
soll sehr dünn sein, damit sie rasch und sicher trocknet. Der Dörrvorgang erfolgt am besten auf einem Dachboden, der nach Süden liegt, damit die
compressa
den größten Teil des Tages Sonne bekommt. Aber Achtung: Die Sonnenstrahlen sollen sie nicht direkt treffen, und damit sie nicht vollständig austrocknet, soll sie oft gewendet werden. Wenn sie gut getrocknet ist, soll sie im selben Raum mehrfach umgelagert und dabei von der einen Seite auf die andere gedreht werden. Das Ganze fünfzehn Tage lang. Aëtius, den wir als fähigen griechischen Arzt schätzen, war allerdings der Auffassung, auch der Norden sei für die Ausrichtung des Raums vertretbar.
Nun, sei es, wie es sei: Wenn die
compressa
gut getrocknet ist, wird sie mit Opobalsam eingeölt, welches der Balsam des Gilead-Baums ist, eines Gewächses, das wir in
Asia minor
antreffen. Durch das Einölen soll die
compressa
vor dem Faulen geschützt werden. Aëtius empfahl, sie schon nach dem Formen einzuölen, und die Doktoren unserer schönen Vaterstadt hielten sich fleißig daran.
Danach soll sie in einem Gefäß aus Zinn, Glas, Gold oder sehr feinem Silber aufbewahrt werden, wobei Zinn sich nicht eignet, wenn es mit Silber vermischt ist, weil diese Legierung gewöhnlich eine Art Fäulnis hervorruft, die der
compressa
eine schlechte Qualität verleiht. In jedem Fall ist es am besten, den Theriak sofort nach der Fertigung der
compressa
anzusetzen. Immerhin, wenn sie gut verwahrt wird, kann sie drei Jahre oder länger gelagert werden, vorausgesetzt, der weiße Schimmel, der sich nach einiger Zeit auf ihr absetzt, wird mit einem ebenfalls weißen Tuch abgewischt.«
Nach dieser langen Rede lächelte Gaspare und sagte: »Liebe
Studiosi,
einigen von Euch mag die Herstellung der
compressa
höchst aufwendig vorkommen. Ihnen sei gesagt, dass sie in Wahrheit noch viel komplizierter ist, und ich
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