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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Euch bitte an Gott.«
    »Wie Ihr meint, Dottore.«
    Es waren die letzten Worte, die wir von dem Grafen vernahmen, denn er kam nie wieder.

Die Viper
    La vipera
    ch war nach wie vor verliebt. Als der Frühling kam, begann auch die Zeit der Theriak-Herstellung, eines Abschnitts im Jahr, dessen Bedeutung nur von der alljährlich stattfindenden Seiden-Messe auf der Piazza Maggiore übertroffen wurde.
    Einer der wichtigsten Männer bei der Gewinnung dieses
panacea
oder
antidotum
genannten Allheilmittels, das unter anderem Wunder gegen die Pest und gegen Vergiftungen bewirken sollte, war Gaspare. Er war ein Meister in der Aufbereitung des wichtigsten Stoffes im Theriak, dem Vipernfleisch. Er führte in seinem Haus eine Sektion des Schlangenkörpers durch, an der ich zu meiner größten Freude teilnehmen durfte. Um meine Anwesenheit vor den Studenten zu rechtfertigen, erklärte er ihnen, was er auch schon dem Grafen von Modena gesagt hatte: Ich sei Schwester Carla aus dem Hospital der Nonnen von San Lorenzo. Zudem sei ich sehr erfahren im Umgang mit Heilsäften. Die jungen Männer, von denen mir einige durch meine Beobachtungen im Archiginnasio bekannt waren, streiften mich nur mit kurzen Blicken, denn Nonnen galten in ihren Kreisen als langweilig und geschlechtslos. Aber das war mir nur recht.
    Gaspare hatte im Raum unter der Dachterrasse einen Tisch und Gestühl aufbauen lassen und hielt zur Begrüßung seiner
Studiosi
zwei tote Vipern hoch. »Sieht einer der Herren einen Unterschied?«
    Die Antwort fiel wie erwartet aus, und er erklärte: »Bevor eine Sektion beginnt, sollte man stets wissen, mit welcher Art Körper man es zu tun hat. Wisset also: Die linke Viper ist aus mehreren Gründen für die Herstellung des Theriaks unbrauchbar. Es handelt sich um ein schwangeres weibliches Exemplar, ein Zustand, der allein schon ausreichen würde, das Tier auszusondern. Außerdem haben wir es hier mit einer sogenannten Seeviper von der Küste bei Ravenna zu tun, die überdies nicht im Frühling, wie vorgeschrieben, sondern während der Frostperiode gefangen wurde. Gute, verwendbare Vipern, das merkt Euch, stammen stets aus den Bergen und werden getötet, wenn die Sonne im Taurus steht. Theriak, der aus Seevipern hergestellt wird, erzeugt großen Durst bei jedem, der ihn trinkt.«
    »Großer Durst ist nicht das Schlimmste«, rief ein Spaßvogel dazwischen, doch Gaspare hob die Hand, und augenblicklich kehrte wieder Ruhe ein. »Ferner sollen Vipern nicht gefangen werden, sobald sie aus ihren Höhlen kommen, denn während sie im Winter unter der Erde verweilen, speichern sie in ihrem Körper all jene giftigen und schädlichen Stoffe, die sie an anderer Stelle ausstoßen. Sie müssen nach dem Verlassen ihrer Höhle für einige Zeit allein gelassen werden, damit sie herumkriechen und die Luft genießen können. Und sie sollten Dinge fressen, die sie gewohnt sind. Alles in allem ist zu sagen, dass sie frisch gefangen am besten geeignet sind. Ist so weit alles klar, liebe
Studiosi?
«
    Beifälliges Gemurmel war die Antwort.
    »Dann legen wir die schwangere Schlange beiseite und widmen uns der anderen. Sie erfüllt alle Voraussetzungen, um in den Kessel für einen guten Theriak zu wandern.«
    Sparsames Gelächter.
    »Schwester Carla wird mir bei der Sektion assistieren und die notwendigen Instrumente anreichen, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte ich ein wenig verlegen.
    »Fangen wir an.« Gaspare legte die Viper ausgerollt auf den Tisch und dozierte: »Eine Länge von ungefähr vier Dita … ach, weiß jemand, wie breit ein Dito ist?«
    »Ungefähr so breit wie ein kleiner Finger, Dottore.«
    »Richtig, also eine Länge von ungefähr vier Dita, jeweils vom Kopf und vom Schwanz gemessen, sollte von der Viper abgetrennt werden – im Falle, dass sie lang ist. Diese ist lang, also tun wir es. Schwester, gebt mir bitte das größere der beiden Skalpelle. Danke. Das zu verwendende Skalpell, liebe
Studiosi,
sollte sehr scharf sein, weil sonst das zähe Gebein der Schlange nicht durchschnitten werden kann. Die abgeteilten Enden sollen fortgeworfen werden, da sie hart sind und wenig Fleisch haben und weil sie die giftigsten Teile des gesamten Körpers sind. Es muss außerdem beachtet werden, dass die besten Vipern sich nach dem Abtrennen von Kopf und Schwanz noch eine Weile bewegen und zudem viel Blut verlieren. Das allerdings ist hier nicht der Fall, da unser Exemplar schon eine Weile tot ist. Bitte gebt jetzt besonders acht, ich entferne die

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