Die Medica von Bologna / Roman
meinem Leben ernsthaft krank. Ich bekam Schüttelfrost und Hitzeanfälle in willkürlicher Reihenfolge, fühlte mich schwach und hustete trocken. Ein Arzt untersuchte mich, indem er mir die Hand auf die Stirn legte und anschließend konstatierte, was meine Mutter und ich schon wussten: »Die junge Dame hat Fieber.«
»Welche Art von Fieber?« Meine Mutter wollte es genau wissen, denn der Arzt, ein gewisser Doktor Valerini, ließ sich seine Dienste gut bezahlen. Der Doktor zog die Brauen hoch. Er schien Nachfragen nicht gewohnt zu sein. »Nun, Signora, es gibt vielerlei Arten der
febris.
Es könnte sich um ein Zehrfieber handeln, vielleicht auch um ein Wechselfieber.« Seine Hand wanderte wieder auf meine Stirn. »Oder um ein Kopffieber. Gleichgültig, um welche Art es sich handelt, es zeigt in jedem Fall an, dass die Säfte des Körpers nicht im Einklang stehen. Wir müssen die
eukrasie
bei der jungen Dame wieder herstellen. Doch zuvor noch eine Frage, Signora: Leidet Eure Tochter an Suffukationen?«
»Wie bitte, Dottore?«
»Ach, das wisst Ihr vielleicht nicht: Suffukationen sind Erstickungsanfälle.«
»Nein, soviel ich weiß, hat sie nur diesen trockenen Husten.«
»Hm, hm, das dachte ich mir. Nun, eine Lungensucht können wir wohl trotzdem ausschließen, und gegen das Fieber verordne ich der jungen Dame
camphora
und
senega.
Um Eurer Frage zuvorzukommen, Signora:
camphora
ist Kampfer, eine herzstärkende Arznei, die als
analepticum
bewährt ist, äh, ein
analepticum
wirkt anregend auf Nerven und Atemwege, falls Ihr das auch noch wissen wollt.
Senega
wiederum nennt man eine segensreiche Wurzel von schleimlösender Wirkung. So werden wir der Krankheit gezielt an den Kragen gehen.«
Der Arzt griff in seine Tasche und holte neben den genannten Arzneien ein Zugpflaster hervor. »Dieses
vesicatorium,
welches ich oberhalb der Brust appliziere, wird ein Übriges tun. In zwei Tagen komme ich wieder, um zu sehen, ob es der jungen Dame bessergeht.«
»Gewiss, Dottore«, sagte meine Mutter und nahm seine Instruktionen, wann wie welches Medikament zu verabreichen sei, entgegen. Dann gab sie ihm sein Entgelt: fünf Paoli, was immerhin schon ein halber Scudo war. »Aber wenn es Euch recht ist, warte ich erst einmal ab. Sollte es nicht besser werden, kann ich immer noch nach Euch schicken lassen.«
»Wie Ihr wollt, Signora Castagnolo.
Arrivederci.«
Doktor Valerini schaute etwas irritiert, setzte sein Barett auf, ein mit Perlenschnüren und Agraffen verziertes Prachtstück, und verließ gemessenen Schrittes unser Haus.
Wie sich zeigte, war das von Doktor Valerini nicht näher diagnostizierte Fieber hartnäckig. Der Husten ließ dank der Medikamente etwas nach, aber die Hitzeanfälle blieben. Obwohl ich mich sehr schwach fühlte und mein Zustand dringend einer weiteren Behandlung bedurft hätte, war ich froh, dass meine Mutter beschloss, die kostspieligen Künste des Doktors nicht noch einmal in Anspruch zu nehmen. Der Mann war mir nicht sonderlich sympathisch, und die Art, wie er mein Feuermal taxierte, hatte mir auch nicht gefallen.
Zwei oder drei Tage später musste meine Mutter dringend in die Stadt, so dass ich mehrere Stunden allein war. Ich lag in meinem Bett und schaute an die Decke des Zimmers. Ein paar verblasste Fresken waren da zu sehen, die mehrere Szenen aus der Schöpfungsgeschichte darstellten. Ich sah Adam und Eva, die Schlange und den Apfel, und während ich emporblickte, bekam ich wieder einen der Fieberschübe, die mich in den vergangenen Tagen geplagt hatten. Ich schloss die Augen, weil ich hoffte, ich würde einschlafen und dem Anfall auf diese Weise entgehen können. Aber ich schlief nicht ein. Nach einiger Zeit öffnete ich die Augen wieder und sah zu meinem Erstaunen, dass in Adam und Eva Leben gekommen war. Sie bewegten sich. Auch die Schlange bewegte sich. Sie hielt in ihrem Maul den Apfel und bot ihn Eva an. Ich stutzte. Adam war es doch, der den Apfel der Versuchung nahm, und nicht Eva. Und Eva war es, die Adam den Apfel anbot, nicht die Schlange. Gottlob schien Adam das zu wissen, denn er interessierte sich überhaupt nicht für den Apfel, auch war er nicht mehr nackt, sondern trug statt des Feigenblattes das bunte Kostüm des Karobuben. Eva hingegen trug ein weites, geschupptes Kleid, dessen Einzelteile aus Feigenblättern bestanden. Ich wunderte mich. Und ich wunderte mich noch mehr, als die Schlange plötzlich verschwand und als Biene wiederkam. Die Biene summte immerfort, während
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