Die Medica von Bologna / Roman
Anstrengungen nicht zufrieden, denn nach einiger Zeit unterbrach er seinen Redefluss und bat meine Mutter, die exorzistische Kraft seiner Worte zu verstärken, indem sie gleichzeitig ein Ave Maria sprach. Und meine Mutter, die bis zu diesem Zeitpunkt still vor sich hin geweint hatte, fiel auf die Knie, faltete die Hände und murmelte:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Weibern,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus …
Und während sie betete, hatte Pater Edoardo unter seinen Utensilien ein
thuribulum
hervorgenommen und entzündet. Weißliche Wolken mit dem schweren Geruch nach Weihrauch entwickelten sich rasch und stiegen mir in die Nase. Ich fühlte Beklemmung und Erstickungsangst. Ich röchelte, hustete, schrie aus Leibeskräften.
»Ex-animo … ex-animo!«,
schrie Pater Edoardo dagegen an. Wie aus weiter Ferne hörte ich ihn rufen, in seiner Stimme lag ein Ton des Triumphes, denn er glaubte sich wohl nahe am Ziel seiner Anstrengungen.
»Ex-animo!«
Er schwenkte das Rauchfass über meinem Gesicht, so dass der Qualm mir die Kehle zuschnürte.
Ich bäumte mich auf, rang nach Luft, jammerte, schluchzte. Wann hörte das Ganze endlich auf? »Mamma!«, keuchte ich. »Mamma, Hilfe!«
Doch weder meine Mutter noch Pater Edoardo beachteten mich, stattdessen vernahm ich, wie beide gleichzeitig unablässig beteten. Der Priester im Stehen, das
thuribulum
schwenkend:
»Pater noster, qui es in caelis; sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua …«
Meine Mutter kniend, die Arme auf meinen Bettrand gestützt: »… Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes …«
»… Sicut in caelo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie: Es dimitte nobis debita nostra …«
Ich weiß nicht mehr, wie es weiterging. Ich vermute, irgendwann hatte mein Körper ein Einsehen mit mir und schenkte mir eine gnädige Ohnmacht.
Ich wachte auf und brauchte mehrere Augenblicke, um zu mir zu kommen. Das Höllenspektakel, das Pater Edoardo veranstaltet hatte, fiel mir ein, und der bloße Gedanke daran jagte mir erneute Schauer über den Rücken. Was war nur in den Mann gefahren, so unfassbare Dinge mit mir anzustellen? Ich hatte ihm doch nichts getan.
Er aber hatte gebetet und mich mit Rauch fast erstickt, er hatte Gottes Namen und den Namen Jesu ständig im Mund geführt, von Teufeln und Dämonen gesprochen, hatte geblasen und gespuckt und wirres Zeug geredet, als wäre er vom Satan besessen. Doch nun war er zum Glück fort. Ich war allein im Raum. Trotz meiner Schwäche richtete ich mich halb auf, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Es war helllichter Tag, vermutlich der Tag nach den gestrigen Schrecknissen. An den Schatten der Büsche sah ich, dass es Vormittag sein musste. Ich ließ mich zurücksinken und entdeckte dabei ein kleines Blatt Papier auf meiner Bettdecke.
Ich musste dringend zu einer Kundin, aber der Pater wird nach Dir sehen. Denke an nichts Böses, meine Kleine, denke an die singenden Engel.
Mamma
stand darauf. Im ersten Augenblick begriff ich nicht, was das bedeutete. Dann aber wurde mir siedendheiß klar, dass Pater Edoardo jederzeit erscheinen konnte. Das wollte ich nicht! Eine Begegnung mit ihm wollte ich unbedingt vermeiden. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, um aus dem Bett zu steigen. Doch es war schon zu spät.
»Nun, meine Tochter, wie geht es dir?«, ertönte eine Stimme von der Tür her. Der stämmige Gottesmann näherte sich, wobei er wieder das Kreuz schlug. Allerdings flüchtiger als am vorangegangenen Tag. »Die Teufelsaustreibung scheint bei dir mit Gottes Hilfe gelungen zu sein. Wenn es so ist, gib mir ein Zeichen.«
Ich weiß nicht mehr, was ich darauf antwortete, ich weiß nur noch, dass ich das Wort Teufelsaustreibung zum ersten Mal bewusst wahrnahm, vielleicht, weil ich an diesem Tag endlich fieberfrei war. Teufelsaustreibung? Wollte der Pater damit sagen, in mir hätte ein Teufel gesessen? Trotz der Verunsicherung, die der fromme Mann in mir auslöste, gab mir mein Gefühl eine klare Antwort: In mir saß nichts Böses und hatte niemals etwas Böses gesessen. Aber das mochte ich ihm natürlich nicht sagen. Ich blickte scheu an ihm vorbei, wollte aufstehen und aus dem Raum laufen, um den Abort auf der Rückseite des Hauses aufzusuchen, denn die Blase drückte mich sehr. Doch mit ein, zwei schnellen Schritten war er bei mir und
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