Die Medica von Bologna / Roman
durchführte. »Bleibe ganz ruhig und entspannt, Fabio«, sagte Gaspare, »Schwester Carla wird mir assistieren, während ich das Skalpell ansetze.«
»Nur zu«, sagte Fabio. Sein Arm ruhte ausgestreckt auf der mit geometrischen Mustern geschmückten Blumensäule. Ich begann und hob die Haut an der Operationsstelle mit Hilfe einer Zange an. Diese Zange ist das wichtigste Instrument bei einer Nasenrekonstruktion, weshalb ich ihre Besonderheit hier erwähnen will: Sie mündet in zwei breite Greifbacken, die einen querstehenden, rund fünf Zoll langen Schlitz aufweisen. Sie wird am Bizeps offen angesetzt und dann so zusammengepresst, dass ihre Backen auf ganzer Breite ein gutes Stück Haut packen und eine steile Falte herausdrücken.
Und genau das tat ich. Während Fabio keine Miene verzog, griff Gaspare zu einem zweischneidigen Skalpell von der Form eines schmalen, spitz zulaufenden Blattes und stieß es in den Schlitz der einen Backe. Er durchdrang die Hautfalte und gelangte durch den Schlitz der anderen Backe wieder nach außen. Durch die Schlitze geführt, bewegte er das Skalpell in beide Richtungen und erweiterte auf diese Weise die Einstichstelle. Dann zog er das Instrument heraus und sagte zu mir: »Ihr könnt die Zange jetzt öffnen, Schwester.«
Ich tat es, die Hautfalte glättete sich, und ein brückenförmiger Hautlappen entstand, der oben und unten noch mit der Armhaut verbunden war.
»So weit der operative Eingriff«, sagte Gaspare. »Hast du große Schmerzen, Fabio?«
»Ich hatte schon größere, Dottore.«
»Du bist sehr tapfer. Nicht alle Patienten sind das.« Gaspare ließ sich von mir eine Sonde reichen, hob mit ihrer Hilfe den Hautlappen an und zog einen Leinenstreifen durch die entstandene Öffnung.
»Was macht Ihr jetzt, Dottore?«
»Unterhalb des Hautlappens soll eine gutartige
inflammatio
entstehen, die wiederum eine gutartige Eiterung zur Folge hat. Das Fleisch der Haut wird so auf die spätere Verpflanzung vorbereitet.« Gaspare verknotete den Leinenstreifen und verkündete: »Dieses war der Erste Akt, sechs weitere mögen folgen. Doch bis zum nächsten Akt müssen noch vierzehn Tage vergehen, um das Fleisch des Lappens heranreifen zu lassen.«
Wir hatten Hochsommer, als ich den Zweiten Akt einleitete. Über den Dächern von Bologna flirrte die Hitze, es war so heiß, dass selbst Gesunde unter den Temperaturen litten. Doch Fabio hatte die ersten zwei Wochen seiner Behandlung mit Gleichmut, um nicht zu sagen, mit heiterer Gelassenheit ertragen, und auch die Hitze schien ihm nichts auszumachen. So verkrüppelt sein kleiner Körper war, so widerstandsfähig schien er zu sein. Jedes Mal, wenn Gaspare oder ich ihn fragten: »Hast du große Schmerzen?«, antwortete er: »Ich hatte schon größere. Wenn ich öfter weine, dann nicht wegen der Beschwerden, sondern weil ich als
allacrimanto
in Übung bleiben muss.«
Um ihn nicht merken zu lassen, dass ein Wechsel in der Behandlung stattgefunden hatte, richteten wir es so ein, dass Gaspare zunächst ein paar Worte mit ihm sprach, dabei ein paar Handgriffe tätigte und sich dann lautlos einige Schritte entfernte, während ich ebenso lautlos herantrat und so tat, als sei ich er. Wir schwiegen beide, damit Fabios feines Gehör nichts davon bemerkte. Auf diese Weise erledigte ich während der nächsten Wochen sämtliche komplizierten Aktionen, vom Auftrennen des Lappens über das Ausschneiden bis hin zum Annähen an den Nasenstumpf.
In der Zeit zwischen den einzelnen Behandlungen erzählte Gaspare viel Wissenswertes über die Entwicklung der
Curtorum cirurgia,
wie er die Chirurgie der Verstümmelungen nannte. Er berichtete, dass schon im alten Indien derartige Eingriffe vorgenommen worden waren, allerdings mit mäßigem Erfolg, da das Ergebnis sehr zu wünschen übrig ließ. Die Kunst des »Pfropfens« von Fleisch auf Fleisch habe sich dann über Jahrhunderte hinweg zunächst bis nach Sizilien und danach in ganz Italien verbreitet.
Ein Mann, der stets Branca, der Ältere, genannt werde, und sein Sohn Antonio hätten die Kunst der formenden Chirurgie schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Catania ausgeübt.
Es gebe einige Aufzeichnungen über die Operationen der Brancas, und aus diesen Aufzeichnungen gehe hervor, dass der Vater das Fleisch zur Reparatur aus dem Gesicht des Verstümmelten nahm, der Sohn dagegen von den Muskeln des Arms, damit keine Entstellung des Gesichts verursacht werde. In den aufgeschnittenen Arm, direkt in die
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