Die Medica von Bologna / Roman
sei, ein Mann, der in meinem Leben nichts zu suchen hätte.
Doch dann, kurz vor Weihnachten – ich hatte mein seelisches Gleichgewicht halbwegs zurückerlangt –, stand der livrierte Bote schon wieder vor meiner Tür. Er übergab mir einen Brief seines Herrn und wartete wie üblich auf Antwort. Gaspare schrieb:
Liebe Carla,
sicher wunderst Du Dich, dass ich Dir nochmals schreibe, aber der Anlass für diese Zeilen ist von größter Dringlichkeit und bedarf äußerster Diskretion. Bitte bestätige dem Boten, dass Du mich heute Abend um acht in meinem Haus zu einem gemeinsamen Essen aufsuchen wirst.
Immer der Deine
Gaspare
Mein erster Impuls war, nicht hinzugehen, denn die vergangene Woche hatte mir gezeigt, wie viel ich noch für Gaspare empfand. Das Treffen mit ihm würde mich nur in ein neues Wechselbad der Gefühle stürzen. Die Sache war abgeschlossen. Ich atmete tief durch und sagte dem Boten: »Richte deinem Herrn aus, dass ich heute Abend verhindert bin.«
Ich schalt mich wankelmütig und schwach, und ich haderte mit mir, aber am selben Abend stand ich vor Gaspares Haus und ließ mir von Adelmo öffnen. Er nahm mir die Zimarra ab und geleitete mich in einen Raum im Erdgeschoss, der zuvor als Schreibzimmer genutzt worden war, jetzt aber im Schein Dutzender Kerzen erstrahlte. Die Kerzen standen auf einem für drei Personen festlich gedeckten Tisch, an dem Gaspares Frau saß. Wieder war sie ausstaffiert, als wolle sie auf einen Ball gehen. Zudem hatte sie sich an diesem Tag, der Mode entsprechend, den Haaransatz gezupft, um ihre Stirn höher und schöner erscheinen zu lassen.
Als sie meiner angesichtig wurde, erhob sie sich und kam mir entgegen. Sie reichte mir die Hand und sagte: »Ich wusste nicht, ob Ihr nach Eurer Absage doch noch kommen würdet, Signorina, aber ich hatte es gehofft und deshalb alles vorbereiten lassen. Leider weiß ich nicht, warum Ihr hier seid, denn mein Mann machte ein großes Geheimnis daraus, aber immerhin werden wir drei vorher zusammen speisen.«
»Vielen Dank, Signora.«
»Als ich heiratete, habe ich meinen Eltern Luigi Baptisto abgeschwatzt. Er ist ein wahrer Meisterkoch und gehört gewissermaßen zu meiner Mitgift. Heute Abend wird er für uns am Herd stehen.« Giulia Carnali lächelte verschmitzt und wirkte zum ersten Mal in meiner Gegenwart nicht scheu.
»Danke, ich esse gerne gut, Signora.«
»Dann lasst Euch überraschen, was es gibt.«
Wir setzten uns, und wenig später erschien auch Gaspare, der an diesem Tag überraschenderweise nicht Schwarz, sondern Dunkelblau trug. Sein spitzenbesetzter Kragen leuchtete zitronengelb und bildete einen kräftigen Kontrast zu dem Blau. »Wie du siehst, habe ich mein Versprechen wahrgemacht und dich zum Essen eingeladen«, rief er und ließ sich nieder. »Es gibt …«
»Pst!« Giulia Carnali legte ihm die Hand auf den Arm. Es war eine Geste, die vertraut wirkte. »Was es gibt, soll eine Überraschung sein. Ich habe Signorina Carla schon von Luigi Baptisto vorgeschwärmt.«
»Zu Recht, meine Liebe, zu Recht.« Gaspare klatschte in die Hände, und mehrere mir unbekannte Bedienstete erschienen. Offenbar hatte Giulia Carnali sie mit in die Ehe gebracht. Sie trugen Schüsseln und Tabletts auf und servierten so köstliche Dinge wie Salate, die in
pinzimonio,
einer scharfen Tunke aus Öl, Pfeffer und Salz, eingelegt waren, Wachteleier mit gebackenen Pflaumen,
ravioli
nach Genueser Art mit einer Füllung aus Kalbfleisch, Schweinebrust, Kalbshirn, Ei, Brotkrumen, Parmesan, Mangold und Gewürzen, Fasanenbrüste mit
frutta candita,
ein
risotto
mit getrockneten Steinpilzen, Safran und Salbei, ferner gewärmte, mit Myrtenbeeren gewürzte Mortadella und feinen Gorgonzola.
An dieser Stelle erzählte Gaspare, der die ganze Zeit aufs Unterhaltsamste geplaudert hatte, die Legende von der Erfindung des Gorgonzola, nach der ein junger Melker während des Abendmelkens Besuch von einer verführerischen Magd bekam, die ihn von seiner Arbeit abhielt und bis zum frühen Morgen so beschäftigte, dass er todmüde die frische Milch vom Morgen mit der geronnenen des Vorabends zusammenschüttete, woraus ein völlig neuartiger Käse geboren wurde, den die Freunde des Melkers in Anspielung auf die geraubte Nachtruhe den »Müden von Gorgonzola« nannten,
Stracchino di Gorgonzola
.
Nachdem Giulia Carnali und ich die Geschichte gebührend gewürdigt hatten, gab es abschließend Gebäck und Süßspeisen. Zu alledem waren dreierlei Sorten Wein serviert
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