Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Bolognas verstünden nichts von Medizin!«
    »
Arrivederci,
Signore.«
    »
Arrivederci,
Signorina.«
     
    Anfang Dezember erhielt ich einen Brief. Er wurde mir ausgehändigt von dem Boten, dessen Livree ich nur zu gut kannte. Es war der Bote von Gaspare, weshalb ich den Brief zunächst nicht annehmen wollte, mir dann aber sagte, ich könnte ihn immer noch fortwerfen, nachdem ich ihn gelesen hatte. Ich ging ins Haus, erbrach das Siegel und las, was Gaspare mit seiner steilen Handschrift zu Papier gebracht hatte:
    Liebe Carla,
    wie langsam vergeht doch ein Jahr, wenn man einander nicht sehen kann! Ich hoffe, Dein Zorn ist verraucht.
    Ich lebe mein Leben wie zuvor, aber Du fehlst mir sehr.
    An dieser Stelle wollte ich den Brief ins Feuer werfen, denn ich spürte, wie sehr mich die Zeilen aufwühlten, aber ich musste weiterlesen. Ich konnte nicht anders.
    Ich würde Dich gerne wiedersehen, Bleiweißmädchen, und sei es auch nur, um Dir die Dinge zurückzugeben, die sich noch in meinem Haus befinden.
    Es sind einige Kleidungsstücke und eine Hutnadel.
    Immer der Deine
    Gaspare
    Was hatte Gaspare da geschrieben? Er habe noch eine Hutnadel von mir?
    Ich fühlte, wie ich am ganzen Körper zu zittern begann, und tat das, was ich normalerweise niemals tat: Ich trank einen großen Schluck Wein auf nüchternen Magen.
    Doch das Zittern blieb.
    Konnte es sein, dass Gaspare meine Hutnadel besaß?
    Natürlich ist das möglich, antwortete ich mir selbst. Du hast doch gesehen, wie er Marco die Nadel aus der Hand nahm und die Vermutung äußerte, sie sei womöglich von der Decke der
Scuola d’Aranzio
herabgefallen. Außerdem hast du genau gehört, wie er von der Hutnadel einer Frau sprach. Es liegt nahe, dass er die Nadel behalten hat.
    Langsam ließ das Zittern nach. Halbwegs beruhigt, überlegte ich weiter: Liegt es auch nahe, dass er sie mit mir in Verbindung bringt?
    Ich rief mir Marcos tödlichen Unfall ins Gedächtnis und kam zu der Überzeugung, dass Gaspare nicht dabei gewesen war. Er konnte mich nicht gesehen haben.
    Also gab es keine zwingende Verbindung zwischen mir und der Hutnadel. Aber gab es einen Verdacht? Vielleicht, weil ich stets ein Barett trug, das der Befestigung durch eine solche Nadel bedurfte? Oder weil ich mich glühend für alles, was mit Medizin zu tun hatte, interessierte?
    Und wenn es einen Verdacht gab, warum hatte er ihn mir gegenüber nie geäußert?
    Fragen über Fragen, die ich alle nicht beantworten konnte.
    Ich sagte mir, dass mir nichts anderes übrigblieb, als der Sache auf den Grund zu gehen, und trat vor die Tür, wo Gaspares Bote noch auf mich wartete, und sagte zu ihm: »Bestelle deinem Herrn, dass ich ihn morgen Abend gegen sechs Uhr aufsuchen werde.«
     
    Als am nächsten Tag die sechste Nachmittagsstunde näher rückte, wünschte ich mir, ich hätte niemals meinen Besuch in dem terrakottafarbenen Haus angekündigt. Aber ich hatte es getan, und ich konnte nicht mehr zurück.
    Mit klopfendem Herzen stand ich vor der Tür und wartete auf Einlass. Ein Jahr war vergangenen, und vieles war seitdem geschehen.
    Wie Gaspare wohl aussah? Was er wohl trug? In meine Gedanken hinein erklang eine Stimme: »
Buonasera,
Signorina Carla.«
    Es war Adelmo, der mich begrüßte, und ganz offenbar freute er sich, mich wiederzusehen. Er ging mir trippelnden Schrittes voraus, führte mich ins Kaminzimmer, fragte mich, ob ich etwas wünsche, nickte, als ich verneinte, und verschwand.
    Ich schaute mich um und stellte fest, dass alles noch genauso war, wie ich es kannte. In der Mitte stand nach wie vor der ebenholzfarbene Tisch mit den hochlehnigen Stühlen, und die Wände waren behängt mit dem rundumlaufenden Teppich, der die Seidenherstellung in Bologna darstellte.
    Ich setzte mich. Gaspare würde gleich kommen und mich begrüßen. Ich spürte, wie mein Herz klopfte. Meine Blicke glitten über den Tisch und über den Kaminsims, auf dem einst seine Nasenmodelle gestanden hatten. Irgendetwas lag darauf, es sah aus wie eine Nadel. Ich sprang auf und wollte den Gegenstand aus der Nähe betrachten, doch in diesem Augenblick näherten sich Schritte.
    In der Tür erschien eine junge Frau. Sie war kostbar gewandet und aufwendig geschminkt, gerade so, als sei sie auf dem Weg zu einem Fest oder einem Bankett. Sie trug ein lindgrünes Kleid aus Seidensamt, mit hochgesetzter Taille, schulterfreiem Dekolleté und sehr weiten gebauschten Unterärmeln. Das Mieder zierten arabeske Lilienmotive in zwei unterschiedlichen

Weitere Kostenlose Bücher