Die Medica von Bologna / Roman
worden, rubinrot schimmernd und vollmundig schmeckend, außerdem Most und parfümiertes Wasser.
Es war eine ungeheure Verschwendung, die sich vor uns dreien aufgetan hatte, und einmal mehr der Beweis dafür, warum Bologna oftmals auch
la grassa,
»die Fette«, genannt wurde. Wir konnten nicht mehr, als von jeder Speise nur ein wenig kosten. Doch das Wenige, was ich aß, gehörte zum Feinsten, was ich jemals zu mir genommen hatte.
»Salute.«
Gaspare hob zum wiederholten Mal sein Glas, um mit mir und seiner Frau anzustoßen. »Es geht doch nichts über ein üppiges Mahl. Aber irgendwann ist auch der hungrigste Magen gefüllt, und der Ernst des Lebens beginnt erneut.«
Er blickte seine Frau an, und Giulia Carnali verstand. »Ich merke schon, ich soll euch allein lassen«, sagte sie lächelnd. »Ich hoffe, es hat geschmeckt, Signorina?«
»Das hat es«, bestätigte ich. »Bitte richtet Eurem Koch meine Empfehlung aus. Er ist ein Meister seines Fachs.«
»Oh, das könnt Ihr ihm gleich selbst sagen, da kommt er gerade zur Tür herein. Sicher möchte er wissen, ob alles zu Eurer Zufriedenheit war.«
Luigi Baptisto war ein älterer Mann von überraschend hagerer Gestalt. Er wirkte eher wie ein Künstler denn ein Koch und sagte, nachdem er meine Komplimente mit würdiger Miene zur Kenntnis genommen hatte: »Ich danke Euch, ich danke Euch sogar vielmals, Signorina, denn ein guter Koch ist gleichzeitig Dichter, auf dass er Verse singe, um der Langeweile und der Ermüdung zu entgehen, Landvermesser, um die runden, eckigen, hellen und dunklen Köstlichkeiten genau ausrichten und anrichten zu können, je nach Gericht und Platte, Mathematiker, um sich beim Zählen seiner Schüsseln und Töpfe nicht zu irren, Maler, um seinen Braten, Saucen und Tunken die richtige, appetitliche Färbung zu geben, Arzt, um das Leicht- von dem Schwerverdaulichen zu unterscheiden und in der richtigen Reihenfolge zu servieren, Chirurg, um die Kunst des Tranchierens zu beherrschen, Philosoph, um das Wissen über die Natur der Speisen, der Jahreszeiten und der mehr oder weniger starken Feuerelemente zu haben. Kurzum, ein guter Koch muss vieles sein. Er sei heiter wie seine Kunst, bitter und süß zugleich.«
Es tat Luigi Baptisto sichtlich gut, seine Qualitäten herausstellen zu können, und ich vermutete, man musste ihm öfter die Gelegenheit dazu geben – gewissermaßen als Lohn für seine Künste.
Der Koch verschwand mit einer Verbeugung, und auch die Hausherrin schickte sich an zu gehen. »Ich wünsche Euch noch einen angenehmen Abend, Signorina«, sagte sie freundlich.
Nachdem sie fort war, räusperte sich Gaspare. »Nun, Carla, ob es ein angenehmer Abend für dich werden wird, weiß ich nicht. In jedem Fall aber einer der wichtigsten deines Lebens.« Er schaute mich ungewohnt ernst an.
»Um was geht es?«
Er trank einen Schluck. »Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht recht, wie ich anfangen soll. Vielleicht ist es am besten, ich falle mit der Tür ins Haus. Ich möchte dich im Namen von Professor Aldrovandi bitten, einen Geheimauftrag auszuführen.«
»Wie bitte?«
»Ja, du hast richtig gehört, ich bitte dich, in geheimer Mission nach Venedig zu Doktor Maurizio Sangio zu reisen. Er ist ein hochbegabter Mediziner und eine weit über Italien hinweg anerkannte Koryphäe für die Herstellung des Theriaks.«
»Aha.« Je mehr Gaspare redete, desto weniger verstand ich.
»Lass mich dir die Hintergründe schildern. Vielleicht erinnerst du dich, dass wir letztes Jahr im Hof des Archiginnasios nacheinander Professor Aldrovandi und den dir mittlerweile gut bekannten Apotheker Colberti trafen. Beide Herren sind von angenehmem Wesen. Sie stehen nur auf verschiedenen Seiten, wie du vielleicht bemerkt hast. Während Aldrovandi seine Kräuter
amomum
und
costus
dem Theriak unbedingt beifügen will, tun Colberti und seine Farmacisti alles, um das zu verhindern. Der Streit schwelt seit Monaten vor sich hin. Mal sah Aldrovandi wie der Sieger aus, als es ihm dieses Jahr gelang, seine Kräuter beizumischen, mal obsiegten die Apotheker, indem sie sich persönlich an den Gonfalonier wandten. Im Augenblick haben sie die Nase vorn. Der von Aldrovandi in seiner Eigenschaft als Protomedico angesetzte Theriak darf nicht verkauft werden, jener der Apotheker aber sehr wohl.«
»Das ist ja alles gut und schön«, sagte ich, »natürlich habe ich von dem Zank gehört. Aber was habe ich mit der ganzen Sache zu schaffen? Und vor allem: Was hast du damit zu
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