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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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stört an der ganzen Sache auch, dass der Professor mich nicht persönlich gefragt hat. Er hätte wenigstens bei dieser Unterredung dabei sein können.«
    »Bitte, Carla …«
    »Vielleicht, nun, vieleicht mache ich es.«
    »Großartig, du bist großartig!« Seine Augen leuchteten. Ohne dass ich es verhindern konnte, zog er mich an sich und küsste mich.
    Ich befreite mich, atemlos, und wich zurück. Ich musste an seine Frau denken, die freundlich war und von alledem nichts ahnte. Sie hatte nicht verdient, was soeben geschehen war. »Gut, ich mache es. Aber nur, wenn ein solcher Vorfall sich nicht wiederholt!«
    »Großartig, du bist großartig!« Er setzte sich und blickte mich an. »Ich wusste, dass die Aufgabe dich reizen würde. Es gibt nichts, was du nicht schaffen könntest. Ich bin so stolz auf dich.«
    »Das brauchst du nicht zu sein.«
    »Wie du meinst. Hauptsache, wir sind uns einig. Ich werde alles in die Wege leiten, damit du im Januar nach Venedig reisen kannst. Allerdings … etwas ist da noch, das du wissen solltest.«
    »Was denn?«
    »Nun, in Venedig herrscht die Pest.«

Die Venusmaske
    La maschera di Venere
    ch weiß nicht, was mich bewegte, Wort zu halten und die Reise nach Venedig anzutreten. Ich muss verrückt gewesen sein, mich freiwillig auf den Weg in eine pestverseuchte Stadt zu wagen. Und dennoch tat ich es. Vielleicht, weil ich glaubte, es mir selbst schuldig zu sein. Vielleicht aber auch, weil ich insgeheim dachte, Gaspare müsse mich für alle Zeiten lieben, wenn ich für ihn eine derart bedrohliche Reise auf mich nähme.
    So kam es, dass ich an einem Morgen im späten Januar 1576 in Begleitung zweier Soldaten den Ritt nach Venedig antrat. Mein Pferd war ein gutmütiger Wallach mit mächtigem Kopf, weshalb er auf den Namen Capo hörte. Capo trug einen Damensattel, auf dem ich in mehr oder weniger guter Haltung saß, denn niemals zuvor war ich geritten. Die Soldaten waren wortkarge Buschen, die sich Luca und Manuel nannten, finster dreinblickten und an keinerlei Unterhaltung mit mir interessiert schienen.
    Wir ritten durch die Porta Mascarella zur Stadt hinaus nach Norden, weiße Atemwolken vor dem Mund, denn es war sehr kalt. Luca machte den Anfang. Er war der Ältere von beiden, ein ungeschlachter Kerl mit einer feuerroten Narbe quer über der Stirn. Ich kam an zweiter Stelle, und Manuel, ein drahtiger Bursche mit struppigem Bart, bildete den Schluss. Begleitet wurden wir von zwei Eseln, die Waffen, Zelte, Nahrung und weitere Ausrüstungsteile trugen. Darunter auch ein paar Bücher von mir, denn ich gedachte, die auf fünf Tage angesetzte Reise zur Lektüre medizinischer Schriften zu nutzen.
    Auf meine wiederholten Fragen, warum wir nicht nebeneinander ritten, die Straße sei doch breit genug, bequemte sich Luca endlich zu einer Antwort: »Diese Formation ist am sichersten, Signorina, einer vorneweg, einer hinterher, die beiden Esel links und rechts und Ihr in der Mitte.«
    Zu weiteren Äußerungen war er nicht bereit, gab seinem Gaul die Sporen und ritt wieder an die Spitze.
    Unser erstes Ziel war Malalbergo im Nordosten, ein Städtchen, von dem ich noch nie gehört hatte. Ich drehte mich nach hinten und fragte Manuel, wie lange wir unterwegs sein würden, in der Hoffnung, er wäre etwas gesprächiger als sein Kamerad, aber seine Antwort fiel genauso knapp aus: »Sieben Stunden oder siebzehn Stunden, Signorina, wer weiß das schon genau.«
    »Aber es muss doch bekannt sein, wie weit die Entfernung ist?«
    »Mal ist sie lang, mal ist sie kurz, kommt immer drauf an, welchen Weg man nimmt.«
    Ich machte einen weiteren Versuch: »Und warum nehmen wir nicht den kürzesten Weg?«
    »Weil der längere manchmal der kürzere ist und der kürzere manchmal der längere.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Das braucht Ihr auch nicht. Verlasst Euch nur auf uns.«
    Eine weitere Unterhaltung schien nicht möglich. Ich presste die Lippen zusammen wegen der unbefriedigenden Antwort, sagte aber nichts, denn ich wollte nicht schon zu Beginn der Reise die Stimmung trüben.
    Stattdessen reimte ich mir zusammen, dass Manuel wohl gemeint hatte, ein Umweg sei manchmal schneller als der direkte Weg. Dass ich mit meiner Vermutung recht hatte, erwies sich noch am selben Vormittag. Durch starke Regenfälle waren die Straßen morastig geworden und viele Gefährte stecken geblieben. Sie versperrten den Weg, ein Durchkommen war nirgendwo möglich.
    »Seht Ihr, der längere Weg ist manchmal der kürzere«, sagte

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