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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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wandte sich an den Vater: »Stellt Eurem Sohn sauberes Wasser hin, aber nähert Euch ihm nicht zu sehr, die Entfernung soll mindestens eine Armspanne betragen. Und sagt ihm, er soll möglichst laut sprechen, damit Ihr auch sonst nicht zu nahe an sein Lager herantreten müsst.«
    »Ja, ja, Dottore«, stammelte der Mann, »ich will alles tun, was Ihr sagt. Die ganze Familie ist mir schon weggestorben, der Junge ist das Einzige, was mir geblieben ist. Er ist mein Leben. Ich flehe Euch an, macht ihn wieder gesund!«
    »Was geschehen kann, wird geschehen. Sorgt ferner dafür, dass die Fenster der Krankenstube nur nach der Nordseite geöffnet werden, da der Südwind die gefährlichen Pestmiasmen heranträgt.«
    »Ja, Dottore, ja.«
    »Dann gehe ich jetzt. Seht zu, dass Ihr selbst gesund bleibt, nehmt nur leichte Kost wie Gemüse und Geflügel zu Euch und wascht Euch anschließend den Mund mit Essigwasser aus. Vergesst nicht, Euer Sohn hat nur noch Euch.«
    »Ja, Dottore.«
    »Gott befohlen. Ich komme morgen wieder.«
    Als wir draußen waren, sagte der Doktor: »Die Hilflosigkeit ist das Schlimmste. Nur der Allmächtige weiß, was ich für ein verlässliches Arzneimittel gäbe.«
    »So gibt es also keines?«
    »Ich gehöre zu den wenigen meiner Zunft, die zugeben, dass es keines gibt.«
    »Und Ihr glaubt, dass an allem die Pestmiasmen schuld sind?«
    »Ja und nein, Signora. Ich benutze den Ausdruck Miasmen nur stellvertretend für das, was zweifellos vom Körper Besitz ergreift. Es dringt in den Leib ein, dieses unerkannte Mysterium, vielleicht durch die Schleimhäute, vielleicht durch die Haut, vielleicht sogar durch die Augen. Es beginnt sofort mit den Organen zu ringen, was sich durch Fieber, schwarzfaulen Zungenbelag und Beulenbildung zeigt, und ringt den Körper innerhalb weniger Tage nieder. Fast immer, jedenfalls. Meiner Schätzung nach überleben nur fünf von hundert Befallenen den Angriff der Pestilenz.«
    Wir gingen an diesem Tag noch viele Stunden durch die Stadt und sahen unendliches Leid. Es dauerte nicht lange, da untersuchte ich selbst die von der Seuche Befallenen, sprach mit ihnen, wenn sie noch sprechen konnten, spendete ihnen Trost, ließ ihnen Wasser geben und sorgte dafür, dass wärmende Decken über sie gelegt wurden. Bald merkte ich, dass die Zahl der Kranken auf der Straße höher war als die derjenigen, die im eigenen Bett sterben durften. Der Grund war die alles beherrschende Angst vor der Ansteckung. Dass ein Mann seine kranke Frau vor die Tür jagte, wie der Doktor es geschildert hatte, war beileibe kein Einzelfall. Ganze Familien lagen auf der Straße, weil andere sie aus dem gemeinsamen Haus geworfen hatten. Immer wieder flehten mich Kranke an, ich möge sie zurückbringen lassen, aber ich musste mein Herz verschließen. Die Trennung zwischen Gesunden und Kranken war oberstes Gebot.
    Weit nach Sonnenuntergang kehrten wir zurück in des Doktors Haus, wo die ausgewählten Kranken schon auf uns warteten. Es waren insgesamt vier. Sie lagen auf Stroh gebettet in einem ebenerdigen Raum und hatten jeder eine Schale Wasser neben sich stehen. Der treue Daniele hatte dafür gesorgt.
    Nach einem kargen, schnellen Mahl begannen wir im Schein mehrerer Laternen mit dem Öffnen der Bubonen. Es war ein ebenso widerwärtiges wie notwendiges Geschäft, bei dem ich mich einmal mehr fragte, warum in der Wissenschaft zwischen gutem und schlechtem Eiter unterschieden wurde. Dieser war zweifellos schlecht.
    Wir arbeiteten bis tief in die Nacht hinein, wobei von den vier Elenden drei unter unseren Händen starben, nur eine junge Frau namens Mirjam lebte noch gegen Mitternacht, und der Doktor sagte: »Wenn sie übermorgen um Mitternacht noch immer lebt, hat sie die Schläge der Geißel überstanden.« Er flößte ihr ein fiebersenkendes Mittel ein und bat mich, stärkende Brühe bereitzustellen. Davon sollte sie trinken, wann immer ihre Kräfte es zuließen.
    Danach wünschten wir einander gute Nacht und beschlossen, in aller Frühe wieder hinaus auf Venedigs Straßen zu gehen.
     
    Wir gingen an diesem und an den folgenden Tagen hinaus und kümmerten uns um die Verlorenen. Wenn wir glaubten, ein Kranker habe Aussicht, die Seuche zu besiegen, ließen wir ihn in des Doktors Haus schaffen, denn die Hospitäler Venedigs waren hoffnungslos überfüllt. Nachts operierten wir, bis uns die Augen zufielen, und am nächsten Morgen erhoben wir uns wieder, um den Kampf erneut aufzunehmen.
    Und mit jedem Tag, den wir

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