Die Medica von Bologna / Roman
dienen, und dienen tut man nicht unbedingt für Geld. Man tut es gern, oder man lässt es. Habe ich recht?«
»Dottore, Ihr seid ein weiser Mann!« Latifs Kulleraugen leuchteten. »Natürlich habt Ihr recht. Aber ein Diener, der ohne Lohn arbeitet, ist ein Sklave. Wollt Ihr mich zum Sklaven meiner Herrin machen?«
Ich fuhr dazwischen: »Du bist weder mein Diener noch mein Sklave, Latif, und du wirst es auch niemals sein.«
»Dann muss ich den Doktor bitten, ihm dienen zu dürfen, doch zuvor erlaubt mir, Euch ein Geschenk zu überreichen. Ich denke, es wird Euch bekannt vorkommen.« Er griff mit großer Geste unter sein wallendes weißes Gewand und holte die goldene Venusmaske hervor.
»Wie bist du an sie gekommen?«, fragte ich, überrascht und verwundert zugleich.
Latif grinste und zuckte vielsagend die Schultern. »Ich bin, wie ich Euch schon sagte, ein Geschöpf Allahs, und Allah ließ mich wissen, ich solle die Maske zu Euch tragen. Macht Ihr mich nun zu Eurem Diener?«
Ich schaute zu Maurizio hinüber, und mein Blick muss ziemlich hilflos gewesen sein, denn er schmunzelte und sagte: »Erfülle ihm doch seinen Wunsch.«
»Aber ich habe kein Geld!«
Latif trat schnell einen Schritt vor, was die Dielen unter seinen Füßen ächzen ließ. »Das lasst nur meine Sorge sein, Herrin! Ich bin sehr geschäftstüchtig. Wenn Ihr mich zum Diener macht, habt Ihr auch immer Geld. Hier, nehmt Eure Maske.«
Er drückte sie mir, ehe ich es verhindern konnte, in die Hand und verbeugte sich tief.
»Danke«, stotterte ich.
»Latif kann die Kammer neben der von Daniele haben«, sagte Maurizio. »Solange du willst, Carla.«
»Aber irgendwann muss ich zurück nach Bologna, Maurizio, du weißt doch, warum.«
»Ich weiß, und in dem Fall wäre es gar nicht schlecht, einen so beeindruckenden Begleiter wie Latif zu haben. Wo wir gerade von Bologna reden: Ich habe den gestrigen Tag genutzt, um das Gutachten für Professor Aldrovandi zu schreiben. Es ist ein ziemlich umfangreiches Schriftstück geworden. Ich wollte es schon lange erledigen, aber du weißt ja selbst, was in der letzten Zeit zu tun war.«
»Ja«, sagte ich, »das weiß ich.« In der Tat hatte ich mich schon manches Mal gefragt, wann Maurizio endlich zur Feder greifen würde, aber ich hatte ihn nicht drängen wollen. Dass er es nun so rasch getan hatte, war mir auch wieder nicht recht. »Warum sind die Kräuter
amomum
und
costus
eigentlich so unerlässlich im Theriak?«, fragte ich. »Um ihre Notwendigkeit ist in Bologna fast ein Glaubenskrieg entstanden.«
»Das überrascht mich nicht«, antwortete Maurizio. »Ich habe mein halbes Leben lang mit beiden Kräutern experimentiert, bis das Ergebnis eindeutig war: Ohne die Drogen ist der Theriak wirksam, mit ihnen jedoch wirksamer. Eine ganz einfache Erkenntnis. Es ist wie mit der Hefe: Bier und Kuchen wären ohne sie genießbar, doch mit ihr werden sie erst zu dem, was sie sind. Ähnlich habe ich es auch in meinem Gutachten ausgedrückt. Natürlich sehr viel wissenschaftlicher, damit es die Zweifler beeindruckt und seinen Zweck erfüllt.« Er lächelte. »Der Mensch neigt nun einmal dazu, Einfaches für simpel und Kompliziertes für klug zu halten.
Meno dici, meno sbagli.
«
»So ist es.« Ich nickte verständnisvoll und spürte gleichzeitig Wehmut. »Dann werde ich wohl morgen, spätestens übermorgen heimreisen müssen.«
Maurizio legte seine Hand auf meine. »Verstehe mich nicht falsch. Wenn es nach mir ginge, würdest du überhaupt nicht reisen, du würdest hierbleiben und mich mit deinem Anblick weiter erfreuen. Aber ich kenne dich: Es wäre zwecklos, dich dazu überreden zu wollen. Genauso gut könnte ich versuchen, Wasser den Fluss hinaufzuleiten. Also halte ich dich nicht auf und lasse dich, wenn auch schweren Herzens, gehen. Doch bevor du mich verlässt, haben wir beide einer Einladung zu folgen.«
»Einer Einladung, wir beide?«
»Am kommenden Sonntag, also in drei Tagen, erwartet uns der Doge von Venedig nach der Messe in seinen Privatgemächern.«
»Du meinst Alvise Mocenigo I.?«
»Genau den meine ich.«
»Aber was will er denn von uns?«
Maurizio zuckte die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber ich denke, das wird er uns noch früh genug sagen. Bis dahin müssen wir unserer Arbeit nachgehen. Mach dich bereit, Carla. Und du, Latif, geh zu Daniele und lass dir deine Kammer zuweisen.«
»Jawohl, Herr.« Latif verbeugte sich und verschwand.
Bald darauf streiften wir wieder durch die Straßen,
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