Die Medica von Bologna / Roman
verlassen zu dürfen.«
»Ich werde das veranlassen.«
»Sie wird von ihrem Diener Latif begleitet werden, einem osmanischen Eunuchen, der grausam im Gesicht entstellt wurde und vor den Häschern Murads III . fliehen musste. Könnte die
Serenissima
ihn vor möglicher Verfolgung bewahren?«
»Ich bin kein Freund der Osmanen. Alles, was von ihnen kommt, ist von Übel. Zusammen mit den Spaniern und den Päpstlichen habe ich sie bei Lepanto geschlagen. Keine fünf Jahre liegt das zurück, und schon wieder dehnen sie ihren Machtbereich aus. Die vielköpfige Hydra ist harmlos gegen sie.«
»Natürlich, Exzellenz.«
»Andererseits ist jeder Feind der Osmanen unser Freund. Auch wenn es sich nur um einen Diener handelt. Ich will deshalb dafür sorgen, dass besagter Latif ein beglaubigtes Schriftstück erhält, das ihm bescheinigt, der Diener von Signorina Carla zu sein und überdies ein Freund der
Serenissima Repubblica di San Marco
. Das mag ihm bei Gelegenheit helfen.«
»
Sissignore,
Exzellenz«, sagten Maurizio und ich wie aus einem Munde.
Alvise Mocenigo I. lächelte dünn. »Venedig liegt am Boden, aber es versteht noch immer, zu danken. Ihr dürft jetzt gehen. Ich wünsche Euch Gottes Segen.«
»
Parimenti,
Exzellenz.« Wir verbeugten uns tief und verließen den Kartenraum.
Schon zwei Tage später rückte der Zeitpunkt des Abschieds heran. Wir standen im Innenhof von Maurizios Haus und kämpften mit unseren Gefühlen. »Ich habe ein schlechtes Gewissen«, sagte ich. »Was ich auch tue, es ist das Falsche. Gehe ich jetzt, lasse ich dich im Stich, bleibe ich, erfülle ich nicht meinen Auftrag.«
»Du lässt mich nicht im Stich«, sagte Maurizio. »Du hast mir viel mehr gegeben, als ich jemals erwarten durfte.«
»Bitte, sag so etwas nicht.«
»Es ist die Wahrheit.«
Daniele, der Capo und ein riesiges Maultier am Zügel hielt, nickte heftig. »Der Dottore hat recht, Signorina. Wollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen und hierbleiben?«
»Nein«, sagte ich forscher als beabsichtigt. »Ich muss zurück, es hilft nichts. Ihr kommt auch ohne mich zurecht, jetzt, wo Mirjam euch zur Seite steht.«
Dieses Argument konnten weder Daniele noch Maurizio abschwächen, ohne Mirjam, die mit in unserer Runde stand, zu verletzen. Stattdessen meldete sich Latif, der schnaufend neben dem für ihn vorgesehenen Maultier stand. »Und ich werde der Herrin zur Seite stehen und darauf achten, dass ihr die zehn Scudi d’Oro des Dogen nicht gestohlen werden.«
»Nanu«, sagte ich, »woher weißt du, dass der Doge mir Geld geschenkt hat?«
»Ein guter Diener muss alles wissen, Herrin.«
»Ein guter Diener weiß vielleicht alles, aber er sagt es nicht«, korrigierte Maurizio.
»Ein guter Diener kann schweigen«, sagte Daniele. »Ich muss es wissen.«
»Tugend beginnt mit Schweigen«, sagte Mirjam.
»Ja, ja, ja, hackt nur alle auf mir herum.« Latif blickte in komischer Verzweiflung zum Himmel. »Aber der Amboss ist an die Schläge des Hammers gewöhnt, das sage ich euch. In jedem Fall kann die Herrin sich auf mich verlassen. Wann geht es denn endlich los?«
Wir lachten, und Maurizio sagte: »Auf ein letztes Wort, Carla, komm bitte in meinen Behandlungsraum.« Er ging vor, und ich folgte ihm mit gemischten Gefühlen. »Was gibt es denn?«, fragte ich.
»Hier, für dich.« Er gab mir eine lederne Tasche, deren Gewicht mich überraschte. »Was ist denn darin?«
»Lass dich überraschen.«
Ich öffnete die Tasche und erblickte eine Reihe von blitzenden Instrumenten: Skalpelle, Sonden, Haken, Sägen, Scheren und Nadeln. »Ein chirurgisches Besteck«, sagte ich erstaunt. »Das kann ich nicht annehmen!«
»Das musst du sogar annehmen. Oder willst du mir den Abschied noch schwerer machen, als er ohnehin schon ist?« Maurizio lächelte.
»Nein, natürlich nicht.« Ich nahm die Instrumente heraus und prüfte ihre Schärfe und Beschaffenheit. »Sie gehören zu dem Besten, was ich jemals gesehen habe. Was macht dich eigentlich so sicher, dass ich sie in Bologna benutzen können werde? Bologna ist nicht Venedig, es herrscht kein Ausnahmezustand dort.«
»Wer so mit Leib und Seele Ärztin ist wie du, der wird sicher Mittel und Wege finden.«
»Danke, Maurizio.«
»Ich danke dir auch – für alles.«
Eine Pause entstand, in der wir beide unsere Verlegenheit zu überspielen versuchten, indem wir angelegentlich die Instrumente betrachteten. Dann machte Maurizio den Anfang: »Es hilft nichts, Carla, ich fürchte, du musst
Weitere Kostenlose Bücher