Die Medica von Bologna / Roman
Dank!«
»Auch ich bin froh darüber, denn ich müsste sonst die Eindringlinge durch das Bewerfen mit faulen Eiern an ihrem Vorhaben hindern. Natürlich nur halbherzig, wie es der Brauch verlangt.«
»Ihr müsstet halbherzig mit faulen Eiern werfen? Verzeiht, Herrin, aber die Italiener sind ein seltsames Volk.«
»Wenn du Lust hast, mische dich nachher ruhig unter das seltsame Volk. Du wirst wilde Ballspiele sehen und Hetz- und Fangwettkämpfe, außerdem Possen und Parodien und vielerlei mehr. Du wirst Spiele mit vertauschten Rollen erleben, bei denen das Tier zum Menschen wird, die Frau zum Mann oder der Sohn zum Vater. Du kannst einem besonderen Karnevalsgericht beiwohnen, das durch eine ›Regierung‹ und eine ›Missregierung‹ verkörpert wird. Die Regierung tritt dabei in Form eines fetten, rotgesichtigen Tölpels auf, der sich mit einer dürren, sauertöpfischen Frau, der Missregierung, streitet. Die sauertöpfische Frau repräsentiert dabei die kommende Fastenzeit, außerdem den Ausklang des Karnevals am Dienstagabend und die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern. Das alles solltest du dir einmal ansehen.«
»Nein, Herrin, lieber nicht. Ich möchte nicht vom Pöbel umgerannt werden.«
»Das verstehe ich. In diesem Fall könntest du die Regale in der Küche ausräumen und dahinter fegen. Du könntest die Zinnteller und Zinnbecher mit Sand scheuern, und du könntest den Herd einmal gründlich von oben bis unten reinigen.«
»Ja, Herrin.« Latifs Stimme klang wenig begeistert. Er ging im Raum hin und her, einen Staubwedel in der Hand, und wischte damit lustlos über die Gegenstände.
Ich tat so, als würde ich nicht auf ihn achten, und beugte mich über mein Frühstück, das an diesem Morgen aus Krustenbrot, Olivenöl und einer mit Salz und Rosmarin gewürzten Eierspeise bestand. Dazu trank ich frisches Wasser aus dem Brunnen hinter dem Haus.
»Wenn ich es recht bedenke, Herrin«, sagte Latif und unterbrach sein rastloses Hin und Her, »ist der Bologneser Karneval sicher ein Stück ganz eigener Kultur.«
»Da hast du wohl recht.«
»Niemand soll sagen, ich würde mich nicht für Kultur interessieren.«
»Nein, niemand.« Ich ahnte, worauf das Ganze hinauslief.
»Vielleicht sollte ich doch in die Stadt gehen, um mir den Trubel anzusehen.«
»Aber eben warst du doch ganz und gar dagegen?«
»Das müsst Ihr falsch verstanden haben, Herrin. Ich war nur ein bisschen dagegen, mehr nicht.«
»Nun gut, dann geh.«
Eine Weile verstrich, in der Latif weiter Staub aufwirbelte. »Ich werde es tun, Herrin«, verkündete er schließlich. »Aber nur, wenn Ihr mich begleitet.«
»Das kommt nicht in Frage.«
»Warum nicht?«
»Weil, nun, weil …«
»Weil Ihr Angst habt, die Rubinseite Eures Gesichts könnte im Gedränge entdeckt werden?«
So viel Feinfühligkeit hatte ich Latif gar nicht zugetraut. Ich war überrascht. »Vielleicht hast du recht.«
»Natürlich habe ich recht, Herrin.« Er setzte sich zu mir und lächelte schief. »Ich habe meistens recht. Aber Ihr braucht keine Angst zu haben. Denkt an die goldene Venusmaske, die ich Euch in Venedig schenkte. Die könnt Ihr aufsetzen und als Göttin der Schönheit gehen.«
»Nein.«
»Das ist ein bisschen schade, Herrin. Ich wäre stolz gewesen, eine so gutaussehende junge Frau wie Euch begleiten zu dürfen.«
»Unsinn.« Ich aß meine Eierspeise auf und schob den Teller beiseite.
»Wirklich schade.«
»Das sagtest du schon.«
»Sehr, sehr schade.«
»Latif, bitte!«
»Wollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen, Herrin?«
»Nein.«
»Die Maske steht Euch wirklich gut.«
»Komm mir nicht mit Schmeicheleien. Doch immerhin, äh, vorausgesetzt, ich würde sie tragen, als was würdest du denn gehen?«
Latif lächelte strahlend. »Als das, was ich bin, Herrin: als Eunuch – fett, glatzköpfig und hellstimmig. Jedermann wird mich sofort als solchen erkennen und sich fragen, wie ich in eine so perfekte Verkleidung schlüpfen konnte.«
»Das mag schon sein.«
»Gehen wir nun?«
»In Gottes Namen, ja.«
Das, was ich Latif über den Karneval berichtet hatte, kannte ich größtenteils nur aus Schilderungen, weshalb ich viele der Fragen, die er mir auf dem Weg in die Stadt stellte, nicht beantworten konnte. Aber das fiel nicht weiter auf. Zu groß war das Gedränge um uns herum, zu laut das Stimmengewirr in unseren Ohren. Wir ließen uns mit der Menge treiben und achteten darauf, uns nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Weile ging das
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