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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Stellen. Ich lachte und ließ es geschehen, ich lachte und lachte, denn ich war wie im Rausch.
    Ich sah, wie Sonne und Mond sich unterhakten und auf Himmel und Erde zugingen, ich sah, wie die vier Gestirne sich betrachteten, sich bewegten und miteinander sprachen. Ich sah, wie Himmel und Mond alsbald ein neues Paar bildeten, eines, das nicht zusammengehörte, sich aber nicht darum scherte, und ich sah, dass Sonne und Erde im Gegensatz dazu nicht miteinander harmonierten, denn sie bedrohten und beschimpften einander. Ich lachte darüber, denn ich dachte, es gehöre zum Spiel. Auch als beide ihre Schwerter zogen, dachte ich noch, es sei ein Spiel, und ich lachte und hörte, wie die Erde erbost brüllte: »Los, beweg deinen Hintern, dreh dich!«, und einen Ausfall machte.
    Die Sonne parierte leichtfüßig und rief: »Dreh du dich doch selbst, ja, kreise um mich!«
    »Niemals, willst du die gottgewollte Ordnung in Frage stellen und die Heilige Schrift der Lüge zeihen?«
    »Ich will, dass du mich umkreist, kleine Erde!«, höhnte die Sonne unter ihrer Maske.
    »Die Sonne geht über der Erde auf und unter, und auch du wirst jetzt untergehen!« Die Erde schlug eine Finte, um die Sonne zu treffen, doch diese wich aus und griff ihrerseits an. Sie stieß ihr Schwert in die Schulter ihres Kontrahenten. Die Erde stöhnte auf; augenblicklich begann Blut zu fließen.
    Die zahllosen Gaffer, die der Meinung waren, alles sei nur eine Posse, brüllten begeistert und lachten über das Missgeschick der Erde.
    Ich jedoch lachte nicht mehr. Ich hatte gesehen, wie aus einem Wortgefecht ein handfester Streit geworden war, und ich hatte erkannt, dass die Verletzung der Erde ernst genommen werden musste. Während die Zuschauer noch immer lachten und dann langsam weiterzogen, lief ich zu der Erde, die keuchend am Boden kauerte und sich die Schulter hielt. Sie trug eine tellerflache Maske und ein grünbraunes Gewand, aus dem das Blut stetig hervorquoll. Ein Blick genügte mir, um zu wissen, dass rasche Hilfe vonnöten war. Ich schaute mich um. »Der Mann ist verletzt!«, rief ich, so laut ich konnte. »Ich brauche Hilfe!«
    Ein paar betrunkene junge Männer näherten sich mir. Es waren die Steinewerfer von vorhin. Ihre Masken waren heruntergerutscht und hingen über der Brust, sie grölten das berühmte Karnevalslied, das in allen Städten Norditaliens mit Inbrunst gesungen wird:
    Quant’è bella giovinezza
    Che si fugge tuttavia:
    Chi vuol esser lieto, sia,
    di doman non c’è certezza!
    Doch ich hatte anderes im Sinn, als mir Lieder über die Jugend anzuhören, selbst wenn sie aus der Feder des berühmten Lorenzo di Medici, »il Magnifico«, stammten. Ich rief den Burschen zu: »He, kommt her, ich brauche ein paar starke Hände.«
    Einer von ihnen, ein vierschrötiger Kerl mit Pockennarben im Gesicht, antwortete anzüglich: »Ich habe starke Hände,
bella,
wo willst du sie spüren?«
    »Der Mann muss fortgeschafft werden, bitte, helft.«
    »Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.«
    Die Burschen wankten vorbei, und ich machte einen letzten Versuch: »Ich wette, ihr Kerle könntet diesen Mann keine hundert Schritte weit tragen, so besoffen, wie ihr seid.«
    »Hoho, das Täubchen wird frech«, tönte der Vierschrötige. »Habt ihr das gehört?«
    »Haben wir, Luca, haben wir.« Die anderen lachten blöde.
    »Was kriegen wir, wenn wir’s tun?«, fragte Luca, der plötzlich nicht mehr so betrunken wirkte.
    »Jeder einen Kuss.«
    »Das hört sich gut an, hoho, aber ohne Maske, wenn ich bitten darf.«
    »Äh, ja.«
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Na gut, fasst mal mit an, Männer.« Er sorgte dafür, dass zwei seiner Kumpane mit den Fäusten einen Tragestuhl bildeten und forderte die Erde auf, sich hineinzusetzen. »Wohin,
bella?
«
    Die Frage hatte ich mir schon die ganze Zeit gestellt und mich dazu entschlossen, die Erde zu mir nach Hause bringen zu lassen. Es war die einzige Lösung, da alle Hospitäler der Stadt vor Patienten überquollen. »Strada San Felice«, sagte ich und befahl der Erde, ihre Hand mit aller Kraft auf die Wunde zu pressen.
    »Strada San Felice, das ist weit«, maulte einer der beiden Träger.
    »Schaffst du das nicht?«, fragte ich ihn. »Wenn nicht, sag es lieber gleich, dann springe ich für dich ein.«
    Natürlich ging er weiter, und ich grinste insgeheim.
    Mit vereinten Kräften gelangten wir zu meinem Haus, wo die Erde auf ein rasch bereitetes Krankenlager aus Stroh gebettet wurde.
    »Jetzt wollen wir den Kuss«, sagte

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