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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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sieh zu, dass du für alles nicht mehr als ein paar Baiocchi ausgibst. Stadteinwärts findest du in dieser Straße entsprechende Geschäfte.«
    »Ja, Herrin, alles soll sein, wie Ihr wünscht.«
    Ich ging los, um mich bei der Mutter Oberin zurückzumelden und meinen Dienst wiederaufzunehmen. Der Weg durch die Stadt war mühsam, denn überall strömten die Menschen zusammen, lachten, scherzten, tranken und sangen aus voller Brust. Gaukler waren in die Stadt gekommen, Possenreißer, Feuerschlucker, Jongleure und Antipodisten, die ihre Künste an jeder Ecke darboten. Garküchen waren wie Pilze aus dem Boden geschossen, Maskenverkäufer standen in den Arkaden und boten ihre Ware feil.
    Es war schon fast Mittag, als ich meine Arbeit im Hospital aufnehmen konnte, nachdem ich der Mutter Oberin einen kurzen Bericht der in Venedig erlebten Schrecknisse gegeben hatte. Sie dankte Gott dafür, dass er mich hatte überleben lassen, und beglückwünschte mich. Dann hieß sie mich, Schwester Marta im Krankensaal zu helfen.
    Am Nachmittag wurden immer mehr Patienten eingeliefert. Sie hatten auf den überfüllten Straßen Brüche und Verstauchungen davongetragen und bedurften jeder freien Hand. Erst am frühen Abend konnte ich meinen Dienst beenden. Da ich Maurizios Gutachten bei mir hatte, beschloss ich, nicht erst nach Hause zu gehen, sondern Gaspare direkt aufzusuchen. Wieder drängte ich mich durch die Menschenmenge. Die ganze Stadt schien mittlerweile auf den Straßen zu sein und die Nacht zum Tage machen zu wollen. Verschwitzt und erschöpft erreichte ich schließlich das terrakottafarbene Haus. Ein Mann ließ mich ein, den ich erst bei näherem Hinsehen als Adelmo erkannte, denn er trug ein Harlekinkostüm. »Der Herr Doktor und seine Gemahlin geben heute Abend ein kleines Fest«, erklärte er. »Ein paar der erlauchten Professoren des Archiginnasios sind zu Gast. Ich weiß nicht, ob ich jetzt stören darf.«
    »Hast du dem Doktor nicht von meiner gestrigen Ankunft berichtet?«, fragte ich erstaunt.
    »Aber natürlich, Signorina. Er freut sich, dass Ihr wohlbehalten zurück seid. Nur konnte er deshalb nicht das Fest absagen.«
    »Ich möchte ihn sprechen.«
    »Signorina Carla, ich weiß nicht …«
    »Ich möchte ihn sprechen, sofort.«
    »Gewiss, gewiss.« Adelmo verschwand und ließ mich verärgert zurück. Ich fand, es passte irgendwie nicht zusammen, dass Gaspare feierte, während ich für ihn in Venedig mein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Andererseits, das musste ich einräumen, war das Fest sicher schon seit langem geplant gewesen. Ich beschloss, mir die Laune nicht vergällen zu lassen, und überlegte, als was er sich wohl verkleidet hatte. Ich sollte nicht lange im Ungewissen bleiben, denn er erschien als Faun, als altlatinischer Gott der wilden Natur. Er hatte sich eine blonde Lockenperücke auf den Kopf gesetzt, ansonsten war er nackt bis auf einen knappen Schurz aus Bärenfell. Sein Oberkörper war rasiert und mit Symbolen der Lüsternheit, Phalli und Vulven, bemalt. In der rechten Faust hielt er eine zehnsaitige Laute. »Sei mir gegrüßt, Bleiweißmädchen!«, rief er munter. »Hast du dabei, um was ich dich gebeten habe?«
    »Ja«, sagte ich, »das habe ich.«
    »Gib es mir.«
    Er wollte es studieren, aber ich sagte: »Das Gutachten soll Professor Aldrovandi entlasten, deshalb fände ich es richtiger, wenn er es als Erster liest.«
    Gaspare lachte sein amüsiertes Lachen. »Ich bin sein Freund. Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern, wie Aristoteles sagt. Ulisse vertraut mir, sonst hätte er sich in dieser Angelegenheit nicht an mich gewandt. Ich will sehen, ob brauchbar ist, was Doktor Sangio schreibt.«
    »Natürlich ist es brauchbar!«
    »Nanu, warum denn so energisch? Hast du es gelesen?«
    »Nein, aber ich bin sicher, dass seine Arbeit exzellent ist.«
    Er antwortete nicht, und ich hatte Gelegenheit, ihn eingehend zu betrachten, während er las. Ich fragte mich, was mich an seinem Aufzug störte, aber ich konnte es nicht genau sagen. Wahrscheinlich war es seine Nacktheit, die einst nur mir gehört hatte und die er nun aller Welt offenbarte.
    »Das Gutachten wird seinen Zweck erfüllen«, sagte er nach einiger Zeit. »Mein Freund Aldrovandi kann damit zufrieden sein. Es ist die Waffe, die ihm fehlte, um die Apotheker zu schlagen.«
    »Ich würde ihm das Schriftstück gern selbst geben«, sagte ich.
    »Aber warum denn, Bleiweißmädchen?«
    »Vielleicht möchte ich, dass er mir persönlich dankt.

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