Die Medica von Bologna / Roman
unerschütterlichen Capo und das Maultier zum Stall hinter dem Haus führte. Ein zweiter Bediensteter erschien und schleppte unser Gepäck fort, das Latif ihm mit einladender Geste überließ. »Was geschieht jetzt, Herrin?«, fragte er.
Ich starrte auf Maurizios kostbares Gutachten, das ich selbstverständlich nicht aus der Hand gegeben hatte, und sagte: »Jetzt gehen wir zur Strada San Felice. Dort steht mein Haus. Aber ich warne dich: Erwarte nichts Hochherrschaftliches. Ich bin zwar eine Bürgerin Bolognas, doch nicht sonderlich begütert.«
»Ihr vergesst die fünfundachtzig Scudi d’Oro des Dogen, Herrin. Wenn ich es recht verstanden habe, ist das eine Unmenge Geld.«
Das war es in der Tat. Aber ich ging nicht auf seinen Hinweis ein, sondern führte ihn eine Abkürzung entlang über die Felder zu meiner Straße. »Der Lärm der Stadt wird geringer«, stellte Latif schnaufend fest. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn, denn er war es nicht gewohnt, mehr als hundert Schritte auf einmal zu tun.
»Ja«, sagte ich, »die Geräusche erinnerten mich früher immer an Bienengesumm.«
»Das ist ein hübscher Vergleich, Herrin. Wo wir gerade von Bienen reden: Leider kann ich nicht fliegen. Könntet Ihr nicht etwas langsamer gehen?«
Ich ging etwas langsamer, und das Schnaufen an meiner Seite ließ nach. Nach ein paar Schritten nahm Latif die Unterhaltung wieder auf: »Ist Bologna immer so laut, Herrin?«
»So laut und noch viel lauter. Wir haben heute den zweiten März, in vier Tagen ist Veilchendienstag,
martedi’ grasso,
wie wir sagen, dann ist hier Karneval, und die ganze Stadt steht kopf. Danach beginnt mit dem Aschermittwoch die Fastenzeit.«
»Bitte sprecht nicht vom Fasten, ich bin fast verhungert, und mir tun die Füße weh!«
»Darf ich dich daran erinnern, dass du darauf bestanden hast, mein Diener zu werden?«
»Besser nicht, Herrin, ich wüsste darauf keine gescheite Antwort.«
Wir gingen schweigend weiter, bis wir vor meinem Haus ankamen. »Das ist es«, sagte ich. »Hier wirst du mit mir wohnen.«
Latif blieb stehen, schnaufte und kullerte mit den Augen. Dann sagte er mit dem Brustton der Überzeugung: »Wahrhaftig, Herrin, Ihr seid nicht begütert.«
Am nächsten Morgen – Latif hatte in der kleinen Kammer neben dem Raum für die Hausgerätschaften geschlafen – zeigte ich ihm mein Haus. So stolz ich sonst auf mein kleines Domizil war, so armselig kam es mir an diesem Tag vor, wahrscheinlich, weil ich es ungewollt mit der unermesslichen Pracht des von Latif in den glühendsten Farben geschilderten Topkapı-Palastes verglich. Ich zeigte ihm die vier unteren Räume mit der Küche, dem Werkstattzimmer und dem Abtritt, erklärte ihm die Funktion des Ofens und der Fenster und erläuterte ihm die Bedeutung der altersschwachen Genesis-Abbildungen an den Decken.
»Im Koran gibt es die Schöpfungsgeschichte ebenfalls«, meinte er dazu.
Darüber lagen drei weitere Räume, die von einer nachträglichen Aufstockung des Hauses herrührten. Hier gab es auch einen schmalen Balkon, der nach hinten zum verwilderten Garten hinauswies. Im Garten selbst befand sich der einzige Luxus, mit dem mein Haus aufwarten konnte: ein eigener Brunnen mit kühlem, quellklarem Wasser.
Latif besah sich alles auf das Genaueste, prüfte die Bequemlichkeit der Sitzmöbel, begutachtete Töpfe, Geschirr und Besteck, strich mit den Händen über die wollenen Teppiche, besah sich die Bilder in den schmucklosen Rahmen, befühlte die Kleiderstoffe im Werkstattzimmer und fasste seine Eindrücke schließlich in dem Satz zusammen, den er schon am Vorabend geäußert hatte: »Wahrhaftig, Herrin, Ihr seid nicht begütert.«
Damit hatte er zweifellos recht. Trotzdem verstimmte mich seine Äußerung. »Ich habe auch nie etwas anderes behauptet.«
»Bei Allah, dem Vergebenden, dem Verzeihenden! Natürlich nicht, Herrin. Mein Platz ist an Eurer Seite. Wie könnte ich Euch im Stich lassen in dieser gefährlichen Stadt!«
»So gefährlich ist sie nun auch wieder nicht. Deshalb werde ich mich jetzt allein zum Kloster der frommen Schwestern von San Lorenzo aufmachen. Ich glaube, ich hatte dir erzählt, dass ich dort im Hospital arbeite. Dabei soll es vorerst auch bleiben. Wann ich zurück bin, weiß ich noch nicht. Nimm für mich das Gepäck entgegen, das Adelmo nachher schicken wird, und verstaue die Dinge dort, wo ich es dir gezeigt habe. Kaufe etwas zu essen ein, Brot, Käse, Wurst und Gemüse. Das mag fürs Erste genügen. Aber
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